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Lokales/Politik

Bremen, den 27.05. 2004

Protestaktion gegen die geplante Auslieferung der kurdischen Politikerin Nuriye Kesbir
aus den Niederlanden in die Türkei

Kurdische, tamilische, deutsche, afghanische und kubanische Frauen, die in Bremen leben, beginnen am 1. Juni 2004 auf dem Bremer Marktplatz ein Solidaritätsfasten, um auf die äußerst bedrohliche Situation der yezidischen Kurdin Nuriye Kesbir aufmerksam zu machen, die sich seit dem 7. Mai 2004 in einem unbefristeten Hungerstreik gegen ihre Auslieferung in die Türkei befindet.

Einladung zu einem Pressegespräch
am Freitag, den 28.05. 2004 um 13 Uhr
auf dem Bremer Marktplatz vor der Bremischen Bürgerschaft.

Zum Auftakt der Solidaritätsaktion möchten die Frauen ihre Beweggründe für diesen gemeinsamen Protest zur Unterstützung Nuriye Kesbirs darlegen.

Zum Hintergrund von Nuriye Kesbir:
Nuriye Kesbir gehört der yesidischen Religionsgemeinschaft an. Sie ist Kurdin aus Besiri / Batman im Südosten der Türkei. Sie ist eine Frau, die für Gerechtigkeit kämpft. Nicht nur für sich selbst, sondern für ihr Volk, für die Frauen dieser Welt, für die Menschheit.
Bereits in frühen Jahren bekam sie zu spüren, was Diskriminierung und Unrecht bedeuten. Ihre Familie musste aus der Türkei flüchten, weil sie sowohl yesidischer als auch kurdischer Herkunft ist. So reifte in Nuriye Kesbir der Entschluss, sich dem Unrecht nicht zu beugen und sich gegen die jahrhundertealte Unterdrückung und Verleugnung ihrer Religionsgemeinschaft und ihres Volkes sowie die Jahrtausende währende Erniedrigung als Frau einzusetzen.

Nuriye Kesbir hat sich mehr als die Hälfte ihres Lebens für die Rechte der kurdischen Bevölkerung eingesetzt. Am 25. September 2001 reiste sie in die Niederlande und beantragte dort politisches Asyl. Während ihres Antragsverfahrens beantragte der türkische Staat seinerseits die Auslieferung Kesbirs wegen angeblicher Beteiligung an verschiedenen militärischen Aktionen der PKK. Nuriye Kesbir war seit September 2001 in Zwolle inhaftiert, bis ein Amsterdamer Gericht im Dezember 2002 die Auslieferungsbegründung als unglaubwürdig zurückwies und sie freisprach. Die Staatsanwaltschaft hat gegen diese Entscheidung Revision eingelegt. Am 5. März erschien Nuriye Kesbir zu einer Gerichtsverhandlung über ihre Auslieferungsangelegenheit und wurde noch vor dem Gerichtsgebäude festgenommen und in Breda inhaftiert. Am 7. Mai beschloss schließlich das Kassationsgericht in Den Haag die Auslieferung von Nuriye Kesbir an die Türkei – unter der Bedingung, dass die Türkei garantiere, sie nicht zu foltern oder zu misshandeln und ihr einen fairen Prozess zu ermöglichen. Nun liegt die letzte Entscheidung beim Justizminister. Seither befindet sich Nuriye Kesbir in einem unbefristeten Hungerstreik.

Obwohl die Türkei im Rahmen der Verhandlungen für einen EU-Beitritt verschiedene Gesetzesänderungen verabschiedet hat, sieht es in der Realität leider ganz anders aus: kaum ein Tag vergeht, an dem keine Foltervorfälle und unmenschliche Behandlungen vor allem gegen politisch aktive Personen aus den Gefängnissen bekannt werden. Dem Jahresbericht 2003 des Türkischen Menschenrechtsvereins IHD zufolge wurden im letzten Jahr 818 Personen unter Polizeigewahrsam gefoltert. Außerdem wurde festgehalten, dass mindestens 113 Inhaftierte ständiger Folter ausgesetzt wurden. Ebenso belegt Amnesty International im Jahresbericht zur Türkei 2003: „Es wurde weiterhin über Folterungen berichtet, wobei zunehmend Methoden Anwendung fanden, die keine sichtbaren Spuren am Körper hinterlassen. (...) Nach vorliegenden Meldungen wurden inhaftierte Frauen und Mädchen häufig sexuell missbraucht oder es wurde ihnen die Vergewaltigung angedroht; in einigen Fällen blieb es nicht bei der Androhung.“
Der neue Bericht von Amnesty International (AI) 2004 «Turkey: End sexual violence against women in custody!» zeigt, dass in der Türkei Frauen aus allen Gesellschaftsschichten und unterschiedlichster kultureller Herkunft während ihrer Haft sexuellem Missbrauch, Notzucht und Vergewaltigung ausgesetzt sind. Besonders gefährdet sind kurdische Frauen aus dem Südosten des Landes sowie Frauen, die eine politische Meinung vertreten, welche in den Augen der Behörden inakzeptabel ist.

Die Berichte angesehener internationaler Menschenrechtsorganisationen belegen, dass Nuriye Kesbir im Falle ihrer Auslieferung kaum ein rechtsstaatliches Verfahren erwarten kann. In einem Brief an den niederländischen Justizminister vom 24. Mai 2004 sprach sich Human Rights Watch vehement gegen die Auslieferung aus und betonte, „dass sie einem reellen Risiko der Misshandlung und Folter ausgesetzt würde. Diplomatische Zusicherungen der Türkei, im Falle der Auslieferung keine Folter anzuwenden und ein faires gerichtliches Verfahren zu garantieren, können nicht als verbindlich angesehen werden und stellen so keine angemessene Gewährleitung dar, die die Niederlande von ihrer absoluten Verpflichtung entbinden könne, Personen vor der Gefahr der Folter zu schützen.“

Zum geplanten Solidaritätsfasten:
Mit Bestürzung und Wut haben wir Frauen aus unterschiedlichen Ländern und Zusammenhängen uns zusammengeschlossen, um gegen diese ungerechte und unverantwortliche Behandlung Nuriye Kesbirs zu protestieren. Nuriye Kesbir ist für uns ein Symbol für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Ihr aufopferndes Engagement steht im krassen Gegensatz zu der Ignoranz und der Lippenbekenntnisse nicht nur der niederländischen Regierung, sondern auch der derzeitigen EU-Politik bzgl. der Türkei. Welche Gültigkeit haben die Genfer Konventionen und das Asylrecht, wenn selbst solche bekannten Persönlichkeiten wie Nuriye Kesbir wissentlich der Gefahr von Folter und unfairer Behandlung, wie auch jahrzehntelanger Haft ausgeliefert werden? Wie verantwortlich geht die EU unter derzeitiger niederländischer Führung mit den Möglichkeiten der Lösung der kurdischen Frage um?

Weitere Informationen sind unter www.humanrights.de erhältlich, für Fragen wenden Sie sich bitte an Carola Praß vom Internationalen Menschenrechtsverein Bremen unter der oben angegeben Nummer oder unter 0174-2710128.