Dialog-Kreis: „Die Zeit ist reif für eine politische Lösung
im Konflikt zwischen Türken und Kurden“


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15. Februar 03

PRESSEMITTEILUNG

Neue Gewalteskalation im türkisch-kurdischen Verhältnis droht

In Verbindung mit einem US-Angriff auf den Irak droht eine Spirale der Gewalt im türkisch-kurdischen Verhältnis. Der Dialog-Kreis, der sich für eine friedliche Lösung dieses Konflikts einsetzt, forderte deshalb den Vorsitzenden der AKP-Partei Recep Tayyip Erdogan auf, deutliche Signale der Versöhnungsbereitschaft zu geben. In dem Brief des Dialog-Kreis Koordinators Prof. Dr. Andreas Buro heißt es u.a.:
„Bei unserem Gespräch am 18.12.2002 in Ankara haben wir Sie gebeten, für eine Politik der Versöhnung zwischen Türken und Kurden einzutreten. Dabei haben wir Ihnen ein Memorandum über die aus unserer Sicht notwendigen Schritte überreicht. Aus vielen Meldungen erfahren wir nun, dass sich eine Eskalation des Konfliktes anbahnt, nicht zuletzt auf dem Hintergrund eines bevor stehenden Angriffes der USA und Großbritanniens auf den Irak, dem sich die Türkei gegen den Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung aufgrund des massiven Drucks der USA anschließen muß.
Die militärischen Vorbereitungen der Türkei zielen nun jedoch auch auf einen Angriff der kurdischen Guerilla, die sich anlässlich der Friedenspolitik der kurdischen Seite in den Nord-Irak zurück gezogen hatte. Dort befinden sie sich auch noch heute in Erwartung einer Amnestie in der Türkei, um in ihre Heimat zurück kehren und sich in das zivile Leben dort wieder eingliedern zu können.
Jetzt will das Militär der Türkei sie als 'Kollateralmaßnahme‘ des Irak-Krieges vernichten, statt ihre Friedensbereitschaft aufzugreifen. Auch die seit 12 Wochen dauernde Isolierung Öcalans bewirkt Demütigung und Empörung der kurdischen Seite. Solches Verhalten versetzt allen Aussöhnungsbemühungen einen schweren Schlag. Schon verkündet die KADEK, dass ein Verteidigungskrieg nicht zu vermeiden sei, weil ihre Friedens- und Versöhnungsangebote keine Antwort des Staates gefunden hätten.
Wir befürchten, dass eine sich anbahnende Eskalation des türkisch-kurdischen Konflikts alle von Ihnen so mutig vorgesehenen Reform- und Demokratisierungsschritte auf das schwerste behindern, wenn nicht gar unmöglich machen werden. Die Menschenrechtsverletzungen werden wieder ansteigen. Deshalb bitten wir Sie sehr eindringlich, deutliche Zeichen der Bereitschaft zu einer Versöhnungspolitik an die kurdische Seite zu senden. In unserem Memorandum hatten wir unter anderen folgende Aspekte hierfür genannt:

1. Den Wunsch nach Versöhnung und gegenseitiger Anerkennung offen auszusprechen, sowie einen innergesellschaftlichen Dialog im Rahmen des Türkischen Staates anzuregen.
2. Um dem Wunsch nach Versöhnung Glaubwürdigkeit zu verleihen, sollte eine Amnestie für alle aus politischen Gründen Verurteilte und für alle, die an den Kämpfen teilgenommen haben, erlassen werden.
3. In einem innergesellschaftlichen Dialog ist auch darüber zu sprechen, in welcher Weise die multi-ethnische Dimension der Gesellschaft in der Türkei in der türkischen Verfassung zum Ausdruck gebracht werden sollte. Dadurch würde die Gemeinsamkeit im Rahmen des Staates gestärkt und nicht geschwächt werden.
4. Eine Politik der Versöhnung kann nicht darauf verzichten, kulturelle Gleichberechtigung anzustreben.
5. Die Flüchtlinge aus den kurdischen Siedlungsgebieten, die während der vergangenen Kämpfe ihre Heimat verlassen mußten, müssen zurück kehren dürfen, und zwar nicht in Zentraldörfer, die ihren Traditionen fremd sind und von ihnen als ‚beaufsichtigte Ansiedlungen‘ verstanden werden.
6. Die Aufhebung des Ausnahmezustandes in den östlichen und südöstlichen Provinzen ist bereits ein wichtiger Schritt, der die Tür zur Versöhnung öffnen kann. Der Ausnahmezustand muß allerdings nicht nur formal sondern auch de facto beendet werden. Sonst kann kein Vertrauen für eine Politik der Versöhnung entstehen.

Signale der Versöhnungsbereitschaft ihrer Regierung in den genannten Bereichen werden sicher auf offene Ohren stoßen. So, wenn Sie die wöchentlichen Besuche der Angehörigen und Anwälte von A. Öcalan wieder ermöglichen. Am wichtigsten erscheint mir jedoch, einen Angriff der türkischen Armee auf die Rückzugsbasis der kurdischen Guerilla im Nord-Irak durch eine Amnestie zu vermeiden. Denn ein solcher Angriff hätte weitreichende Auswirkungen sowohl auf eine friedliche Entwicklung innerhalb der Türkei, wie auf die Möglichkeiten Ihre Reformpolitik zu verwirklichen. Ich bitte Sie sehr eindringlich, sich für eine friedliche Lösung und die Entfaltung einer Politik der Versöhnung einzusetzen.

V.i.S.d.P.G. A. Buro, Grävenwiesbach