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Urgent Action

UA-Nr: UA-331/2002
AI-Index: EUR 44/054/2002
Datum: 08.11.2002

SORGE UM SICHERHEIT / MORDDROHUNGEN / MISSHANDLUNGEN

Türkei:
Ridvan Olcasöz, Wahlbeobachter der Partei DEHAP
Fahri Kini, Wahlbeobachter der DEHAP
Semsettin Solhan, Wahlbeobachter der DEHAP
Ramazan Akman, Wahlbeobachter der DEHAP
Salahattin Örnek, Bewohner des Dorfes Kiziltepe
Savas Yildiz, Bewohner von Kiziltepe
Alaatin Ari, Bewohner des Dorfes Bugday
und weitere Dorfbewohner aus der Provinz Mardin

Während der türkischen Parlamentswahlen vom 3. November 2002 haben Angehörige der Gendarmerie und Dorfschützer in der im Südosten des Landes gelegenen Provinz Mardin Berichten zufolge Anhänger und Mitglieder der pro-kurdischen Partei DEHAP geschlagen und bedroht. Durch dieses Vorgehen sollten offenbar Wähler davon abgehalten werden, ihre Stimmen für legale pro-kurdische Parteien abzugeben. Auch nach den Wahlen kann es zu weiteren Übergriffen kommen, sodass die Gefahr besteht, dass noch weitere Bewohner der Region misshandelt und bedroht werden.

Während der Wahlen wurden Ridvan Olcasöz, Fahri Kini, Semsettin Solhan and Ramazan Akman nach vorliegenden Informationen von Angehörigen der Dorfschützermilizen (Dorfbewohner, die von der Regierung bewaffnet und bezahlt werden, um gegen die bewaffnete Oppositionsgruppe "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die inzwischen den Namen KADEK trägt, zu kämpfen) im Viertel Yüceli des Dorfes Kiziltepe zusammengeschlagen. Die vier Männer waren als Wahlbeobachter für die DEHAP tätig. Sie wurden durch die Schläge so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Am 4. November 2002 wurden Salahattin Örnek und Savas Yildiz, zwei Dorfbewohner aus derselben Region, ebenfalls von einer Gruppe Dorfschützer geschlagen. Am 7. November 2002 schlugen die Dorfschützer die beiden Männer erneut so brutal, dass sie im Krankenhaus von Kiziltepe behandelt werden mussten.

Alaatin Ari, der im Dorf Bugday wohnt, hat Berichten zufolge von Angehörigen der örtlichen Gendarmerie Morddrohungen erhalten, nachdem er mit einer Delegation von Wahlbeobachtern aus Norwegen gesprochen hatte. Er hatte kritisiert, dass Dorfbewohner von der Gendarmerie unter Druck gesetzt worden waren, nicht die DEHAP, sondern die "Partei der nationalen Bewegung" (MHP) zu wählen. Seitdem soll die Gendarmerie zwei Mal in Bugday erschienen sein und nach ihm gesucht haben. Er hat außerdem telefonische Morddrohungen erhalten, in denen es hieß: "... hör' damit auf, wir werden dich töten".

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Legale kurdische Parteien sind in der Türkei täglichen Schikanierungen durch die Behörden ausgesetzt. Einige Parteien sind bereits verboten worden, anderen droht ein Verbot. Mitglieder und Sympathisanten dieser Parteien wurden gefoltert oder sind dem "Verschwindenlassen" bzw. staatlichem Mord zum Opfer gefallen.

In der DEHAP haben sich drei Parteien zusammengeschlossen, von denen die HADEP die größte ist. Die HADEP ist die Nachfolgeorganisation von zwei Parteien, die von den Behörden wegen "Separatismus" verboten worden waren. Obwohl die HADEP die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele ablehnt, wird sie in einigen Kreisen als "politischer Arm" der PKK bezeichnet, die inzwischen den Namen KADEK trägt.

Im Südosten der Türkei sind HADEP-Mitglieder immer wieder in Gefahr, von Angehörigen der Sicherheitskräfte schikaniert, inhaftiert und mit dem Tode bedroht zu werden. amnesty international liegen Berichte vor, denen zufolge HADEP-Mitglieder in der Haft misshandelt und gefoltert worden sind. Am 25. Januar 2001 "verschwanden" die beiden führenden HADEP-Mitglieder aus der Stadt Silopi, Serdar TaniS und Ebubekir Deniz, nachdem sie eine Gendarmeriewache aufgesucht hatten (s. UA 26/01 vom 30. Januar, 26. Februar und 29. März 2001). Seitdem fehlt jede Spur der beiden Männer.

EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe oder Luftpostbriefe, in denen Sie

sich angesichts der Berichte besorgt zeigen, denen zufolge Ridvan Olcasöz, Fahri Kini, Semsettin Solhan, Ramazan Akman, Salahattin Örnek und Savas Yildiz von Angehörigen der Dorfschützermilizen im Viertel Yüceli des Ortes Kiziltepe geschlagen worden sind;
Ihre Sorge um die Sicherheit von Alaatin Ari aus dem Dorf Buðday zum Ausdruck bringen, der Berichten zufolge Morddrohungen erhalten hat, und die Behörden auffordern, sofort Maßnahmen einzuleiten, um seine Sicherheit zu garantieren;
Ihre Befürchtung zum Ausdruck bringen, dass weitere Bewohner der Provinz Mardin nach den Wahlen vom 3. November 2002 von Gendarmen und der Dorfschützermilizen misshandelt und bedroht werden könnten, und die Behörden an ihre Verpflichtung gemäß Artikel 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ("Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden") erinnern;
die Regierung auffordern, eine umfassende und unparteiische Untersuchung der Berichte über Misshandlungen und Morddrohungen einzuleiten und sicherzustellen, dass die dafür Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden.
APPELLE AN:

Ministry of Interior, Icisleri Bakanligi, 06644 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI
(Innenminister – korrekte englische Anrede: Dear Minister)
Telefax: (00 90) 312 418 1795

General Mehmet Sener Eruygur, Jandarma Kuvvetleri Komutanligi, Bakanliklar, 06100 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI (Oberkommandierender der Gendarmerie)
Telefax: (00 90) 312 418 9208

Mardin Valisi, Mardin Valiligi, Mardin, TÜRKEI (Gouverneur der Provinz Mardin)
E-Mail: mardinvaliligi@mardin.gov.tr

KOPIEN AN:

Ali Dogan, Office of the Prime Minister, Basbakanlik, 06573 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI, (Minister und Beauftragter für Menschenrechtsfragen – korrekte englische Anrede: Dear Minister)
Telefax: (00 90) 312 417 0476

Kanzlei der Botschaft der Republik Türkei, Rungestr. 9, 10179 Berlin
(S. E. Herrn Osman Taney Korutürk)
Telefax: 030-2759 0915
E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. Dezember 2002 keine Appelle mehr zu verschicken.

RECOMMENDED ACTION: Please send appeals to arrive as quickly as possible, in English or your own language:

- expressing concern at reports that Ridvan Olcasöz, Fahri Kini, ªemsettin Solhan, Ramazan Akman, Salahattin Örnek and Savaº Yildýz have been beaten by members of the village guard militia in Yüceli, in Kizýltepe, Mardin province;

- expressing concern for the safety of Alaatin Ari who has reportedly been threatened with death in Buðday village in Mardin, and urging the authorities to take immediate steps to guarantee his safety;

- raising the concerns that villagers in Mardin province may be subjected to violence by village guards or gendarmerie following the elections of 3 November and reminding the authorities that Turkey is a state party to the European Convention on Human Rights, of which Article 3 states: "No one shall be subjected to torture or to inhuman or degrading treatment or punishment";

- urging the government to carry out a full and impartial investigation, to establish the truth of these allegations, and ensure that those responsible are brought to justice.