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Urgent Action

UA-Nr: UA-088/2002-1
AI-Index: EUR 44/021/2002
Datum: 28.03.2002

POLIZEIGEWALT / FOLTER UND MISSHANDLUNG

Türkei:
311 inhaftierte Kurden in Istanbul und Mersin

getötet:
Mehmet Sen (34 Jahre alt)
Ömer Aydýn (39 Jahre alt)

verletzt:
Saadet Erdem, Menschenrechtsverteidiger
Frau Songül Kaya
Frau Hanim Ates

Von den 234 in Mersin (an der Ostküste des Mittelmeers) wegen der Teilnahme an den Newroz-Feierlichkeiten, dem kurdischen Neujahrsfest, festgenommenen Personen befinden sich 172 entweder weiterhin in Untersuchungshaft oder wurden freigelassen. Die in Istanbul inhaftierten 81 Personen wurden inzwischen ebenfalls freigelassen.

Am 25. März 2002 wurden 172 Inhaftierte der Staatsanwaltschaft in Mersin vorgeführt. Man hat 13 von ihnen freigelassen, 159 Personen wurden jedoch in Untersuchungshaft überstellt. Berichten zufolge sind neun der Inhaftierten Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren, und 61 Menschen befinden sich unter polizeilicher Überwachung im Krankenhaus von Mersin, wo sie wegen ihrer Verletzungen, die sie sich bei Zusammenstößen mit der Polizei zugezogen haben, behandelt werden. Ihre Haftdauer ist bereits um vier Tage verlängert worden.

Die Behörden haben in Mersin Untersuchungen wegen des Todes von Ömer Aydin und Mehmet Sen eingeleitet. Mehmet Sen war ein Abgeordneter der legalen pro-kurdischen Partei HADEP in Mersin. Berichten zufolge kamen beide Männer ums Leben, nachdem sie von Panzerfahrzeugen der Polizei erdrückt worden waren. Songül Kaya, ein junges Mädchen, wurde von einem Panzerfahrzeug verletzt. Hanim Ates brach sich beide Arme und Beine, nachdem sie während der Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten von Polizisten vom Dach eines zweistöckigen Gebäudes geworfen worden war. Angaben zufolge hat die Polizei während der Festnahmen außerdem Demonstranten geschlagen und sie über den Erdboden geschleift. Daraufhin hat der Innenminister Abgeordnete nach Mersin gesandt, um die Geschehnisse zu untersuchen.

Saadet Erdem, ein führendes Mitglied des "Türkischen Menschenrechtsvereins" (IHD), wurde in Ankara ins Krankenhaus eingewiesen, nachdem er von der Polizei angegriffen und mit Schlagstöcken misshandelt worden war. Dies ereignete sich, nachdem Saadet Erdem versucht hatte, einen Streit zwischen der Polizei und Personen zu schlichten, die an genehmigten Newroz-Feierlichkeiten teilnehmen wollten.

Informationen von Regierungsbehörden zufolge fanden anlässlich der Newroz-Feierlichkeiten 44 Demonstrationen statt, von denen 40 offiziell genehmigt worden waren. 26 Demonstrationen – auch die in Istanbul und Mersin – waren verboten worden. Insgesamt nahmen 200.364 Menschen im ganzen Land an Newroz-Feierlichkeiten teil. Im Laufe des Tages wurden in der Türkei 1.201 Personen festgenommen.

EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte weitere Telefaxe oder Luftpostbriefe, in denen Sie

darauf dringen, dass umfassende und unparteiische Ermittlungen zur Aufklärung des Todes von Mehmet Sen und Ömer Aydin eingeleitet werden, und fordern, dass den Meldungen, denen zufolge die Polizei in Mersin gewaltsam gegen Personen vorgegangen ist, die an friedlichen Neujahrsfeierlichkeiten teilnehmen wollten, nachgegangen wird, die Ermittlungsergebnisse veröffentlicht und die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden;
Ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen, dass der Menschenrechtsverteidiger Saadet Erdem Berichten zufolge von der Polizei in Ankara angegriffen wurde, und fordern, dass umfassende und unparteiische Ermittlungen eingeleitet, deren Ergebnisse veröffentlicht und die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden;
die Behörden auffordern, Maßnahmen einzuleiten, um den dauerhaften Schutz für die Mitglieder des IHD und seinen Mitarbeitern per Gesetz zu gewährleisten, und den Menschenrechtsverteidigern zu ermöglichen, ungehindert ihrer rechtmäßigen Rolle als Beobachter und Berichterstatter von menschenrechtsrelevanten Sachverhalten in Übereinstimmung mit der UN-Erklärung zum Schutze von Menschenrechtsverteidigern nachzukommen;
die Behörden auffordern, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass alle Beamten die Rechtmäßigkeit der Arbeit von Menschenrechtsverteidigern anerkennen;
die Behörden auffordern, alle Polizisten oder Gendarmen, denen Folter oder Misshandlung vorgeworfen wird, während der Ermittlungen vom Dienst zu suspendieren und sie endgültig ihres Dienstes zu entheben, falls sie für schuldig befunden werden;
fordern, dass den 61 Inhaftierten, die sich zurzeit im Krankenhaus in Mersin befinden, umgehend Zugang zu Anwälten gewährt wird, sie umgehend einem Richter vorgeführt und wegen einer erkennbar strafbaren Handlung verurteilt oder sofort freigelassen werden.

APPELLE AN:

Mr Rüstü Kazim Yücelen, Ministry of Interior, Içisleri Bakanligi, 06644 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI, (Innenminister – korrekte englische Anrede: Dear Minister)
Telefax: (00 90) 312 418 1795

Herrn Necati Bilican, Emniyet Genel Müdürlügü, Bakanliklar, Ankara, REPUBLIK TÜRKEI
(Polizeichef – korrekte englische Anrede: Dear Sir)

KOPIEN AN:

Nejat Arseven, Office of the Prime Minister, Basbakanlik, 06573 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI, (Minister und Beauftragter für Menschenrechtsfragen – korrekte englische Anrede: Dear Minister)
Telefax: (00 90) 312 417 0476

Kanzlei der Botschaft der Republik Türkei, Rungestr. 9, 10179 Berlin
(S. E. Herrn Osman Taney Korutürk)
Telefax: 030-2759 0915
E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. Mai 2002 keine Appelle mehr zu verschicken.

FURTHER RECOMMENDED ACTION: Please send appeals to arrive as quickly as possible, in English or in your own language:

- calling for a full and impartial investigation into the deaths of Mehmet Sen and Ömer Aydin and into allegations that police may have used excessive force and ill-treated individuals trying to take part in a peaceful festivities in Mardin, with the results made public and those responsible brought to justice;

- expressing concern that human rights defender Saadet Erdem was reportedly attacked by police officers in Ankara and calling for a full and impartial investigation with the results made public and those responsible brought to justice;

- requesting that the authorities take steps to extend durable protection in law to the IHD and its staff and to allow human rights defenders to pursue unhindered their lawful role of monitoring and reporting human rights matters in line with the UN Declaration on the Protection of Human Rights Defenders;

- calling on the authorities to take effective action to ensure all public servants recognize the legitimacy of the work of human rights defenders.

- urging the authorities to suspend any police or gendarmerie officer accused of torture or ill-treatment from duty while they are under investigation, and to dismiss them if convicted;

- calling for the 61 detainees in hospital in Mersin to be given immediate access to lawyers, brought promptly before a judge and either charged with a recognizably criminal offence or released immediately.