International Initiative
"Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan"

P.F: 100511, D-50445 Koeln
Tel: 0221 130 15 59
Fax: 0221 139 30 71
E-Mail: info@freedom-for-ocalan.com
Url: www.freedom-for-ocalan.com

 

Köln, 30. Januar 2002

INTERNATIONAL INITIATIVE BRIEFINGS:

Ein Schritt nach vorn, zwei Schritte zurück - Türkei noch immer weit von Europa entfernt

In der Türkei droht die Verabschiedung eines Gesetzpaketes, das die ohnehin stark eingeschränkte Meinungsfreiheit noch weiter beschneidet, anstatt wie ursprünglich geplant, Reformen im türkischen Strafgesetzbuch auf den Weg zu bringen, wie von der EU in ihrem Kriterienkatalog für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen gefordert. Insbesondere die ultrarechte Nationalistische Bewegungspartei (MHP) tut sich mit diesem Gesetzesvorhaben hervor. Ganz im Sinne ihrer Tradition versucht sie jeden Ansatz einer realen Veränderung des Status Quo zu verhindern. Insbesondere die Kampagne von kurdischen Studentinnen und Studenten, die muttersprachlichen Unterricht an Schulen und Universitäten fordern, ist der MHP ein Dorn im Auge. Unter dem Vorwand, das Vaterland wäre in Gefahr, fordert sie drakonische Strafen für dieses demokratische Anliegen. Jedoch ist in den sogenannten "Kopenhagener Kriterien" der Minderheitenschutz explizit genannt. Dieser schließt das Recht auf muttersprachlichen Unterricht ausdrücklich ein. Auch bei einem anderen wichtigen Thema wollen die ewig Gestrigen um Devlet Bahceli nicht einlenken. Weiterhin beharren sie auf der Hinrichtung von Abdullah Öcalan, danach könne man getrost die Todesstrafe abschaffen. Unlängst haben führende Menschenrechtler der Türkei die MHP als zentrales Hindernis einer Demokratisierung ausgemacht. Aber nach wie vor kann sie sich auf ihre treue Anhängerschaft in Militär, Justiz und Sicherheitsapparat verlassen. Es scheint in der politischen Auseinandersetzung in der Türkei weiter kälter zu werden. Deshalb darf es keine weitere Hofierung von antidemokratischen Kräften geben, wie kürzlich beim Besuch Bahceli's in Brüssel geschehen. Deutliche Signale in Richtung Ankara sind gefordert. Ohne die vollständige Erfüllung der Kopenhagener Kriterien darf es keinen Beitritt der Türkei zu Europa geben.


-------------------------------------

SABAH, 28.01.2002

Der MHP Bremsklotz

Von Oktay Gönensin (Übersetzung: Koordinationsbüro der Internationalen Initiative "Freiheit für Öcalan / Frieden in Kurdistan")

Es scheint, dass sich die MHP auf die Rolle eines politischen Bremsklotzes festgelegt hat, um die Bestrebungen nach einer weitgehenden Konsolidierung der Türkei zu verhindern. Das Vorhaben, im türkischen Strafrecht die Paragraphen 159 und 312 so zu reformieren, dass die freie Meinungsäußerung nicht mehr unter einen Straftatbestand fällt, wurde hauptsächlich von der MHP torpediert.

Die Wurzeln der MHP und ihre Weltanschauung sind bekannt. Die "politische" Vergangenheit ihrer führenden Führungskräfte ebenso. Nach ihrer blutigen Praxis in der Zeit von 1968 und 1980, wurde sie von den Gerichten der Junta abgeurteilt. In den Anklageschriften der Militärrichter wurden die Taten der MHP und ihrer Nebenorganisationen detailliert aufgeführt.

Trügerischer Optimismus

Bis 1999 behauptete die MHP ihren Platz als "marginalisierte" Partei. Ihr Erfolg bei den allgemeinen Wahlen im gleichen Jahr, hatte sie dem separatistischen Terror und politischen Islam zu verdanken. Ein Teil der Gesellschaft, die vom Leid des separatistischen Terrors direkt betroffen und unzufrieden mit der Regierung waren, die eine Lösung des Problems verschleppte, sah sich von der MHP und ihres radikalen nationalistischen Gebaren vertreten.

So profitierte die Nationalistische Bewegungspartei von der islamistischen Wählerschaft, die von Erbakan und seiner Mannschaft schwer enttäuscht war, in dem sie sich traditionelle islamische Themen zu eigen machte.

Aufgrund der Konstellation im türkischen Parlament, die nach der Wahl von 1999 entstanden war, erschien die Bildung der jetzigen 3-Parteien-Koalition als einzige gangbare Alternative. Einige ließen sich durch diese Situation zum Zweckoptimismus verleiten, dass sich die MHP ja "verändert" habe.

Demokratie und MHP

Die Nationalistische Bewegungspartei versucht stets zu beweisen, dass sie sich nicht verändert hat. Andererseits unternimmt sie große Anstrengungen, auch weiterhin an der Macht beteiligt zu bleiben. Auf Grund dieser Zweischneidigkeit sah sie sich mehrmals gezwungen, zu Beschlüssen ihre Zustimmung zu geben, obwohl sie deren Inhalt nicht teilte. Jedoch konnte sie mit zähen Verhandlungen die Lösung von vielen wichtigen Fragen behindern.

Solange die Koalition aufrecht erhalten wird.....

Nach drei Jahren Regierungsbeteiligung hat die Praxis von Erbakan die MHP eingeholt. Sie hat gezeigt, dass sie nicht die Fähigkeit besitzt, die Türkei zu regieren. Sämtliche Umfragen zeigen, dass momentan ihre Zustimmung in der Gesellschaft nur bei 6-8 Prozent liegt.

Deshalb versucht sie wieder die Gefahr vom "separatistischen Terror" zu thematisieren, um die Demokratisierung zu behindern.

Die Regierungspartei ANAP hat eine klare Haltung für die Umsetzung des Demokratisierungspaketes eingenommen. Die Partei der Demokratischen Linken scheint "unentschlossen". Das hauptsächliche Problem jedoch ist, dass, solange diese Koalition Bestand hat, die DSP (Partei der Demokratischen Linken) immer "unentschlossen" bleiben wird.

-------------------------------------------------------

Die TAGESZEITUNG, 30.01.2002

Ein Schritt zurück

Anstatt Gesetze über Meinungsfreiheit an EU-Standards anzupassen, will die Türkei die Vorschriften verschärfen

ISTANBUL / Jürgen Gottschlich

Für Journalisten, Schriftsteller und Menschrechtler drohen sich in der Türkei die Bedingungen noch weiter zu verschlechtern. Am Montagabend scheiterte ein Versuch von Mesut Yilmaz, dem Juniorpartner in der türkischen Koalitionsregierung, eine bevorstehende Novellierung diverser Strafrechtsparagraphen zur Meinungsfreiheit noch einmal zu verschieben, um die massive Kritik an dem vorliegenden Reformpaket zu berücksichtigen. Vor allem Devlet Bahceli, Chef der ultrarechten MHP, will von den Einwänden liberaler Juristen und Kritikern aus den Reihen der EU nichts hören. So wird wahrscheinlich noch Ende dieser Woche ein Gesetzespaket im Parlament eingebracht, durch das die Strafrechtsparagraphen 132, 156 und diverse Artikel des Antiterrorgesetzes in einer Weise reformiert werden, die die Meinungsfreiheit noch weiter einschränkt statt bestehende Restriktionen abzuschaffen. In der Vergangenheit waren gerade auf der Basis dieser Vorschriften zahlreiche Publizisten und Menschenrechtler verurteilt wurden.

Seit Jahren werden die fraglichen Paragraphen massiv kritisiert, weil damit alle Kritiker der staatlichen Kurdenpolitik und vermeintliche oder tatsächliche Islamisten mundtot gemacht wurden. Mit einer Änderung der Verfassung im letzten Herbst sollten nun die Voraussetzungen geschaffen werden, die türkischen Gesetze dem EU-Standard und den Kopenhagener Kriterien anzupassen. Nachdem jetzt die Entwürfe für die Neufassung der strittigen Gesetze vorliegen, stellen Juristen, Journalisten und die Vertreter der EU-Kommission entsetzt fest, dass die Neufassung "schlimmer ist als die bestehenden Gesetze".

Schon die Möglichkeit, den gesellschaftlichen Frieden zu stören, kann mit drei Jahren Knast bestraft werden. Auch wer sich lediglich über einen Polizisten beschwert, droht wegen Verunglimpfung der Sicherheitsorgane gleich für mehrere Jahre hinter Gittern zu verschwinden.

Die EU war so alarmiert, dass sie Ende vergangener Woche eine Botschaftertroika zu Premierminister Ecevit schickte, um ihm ausrichten zu lassen, dass diese Reform weit davon entfernt sei, die Erwartungen in Brüssel zu erfüllen. Doch Bahceli will sich "keinem EU-Diktat" beugen und beschwerte sich bei seinen Koalitionspartnern über die "Kolonisatorenmentalität" der Westeuropäer. Ecevit akzeptierte die Blockade durch seinen Koalitionspartner Bahceli und ließ der EU-Vertreterin in Ankara, Karin Fogg, ausrichten, manchmal stünde leider die "Demokratie einer Demokratisierung" im Weg. Der kleinere Koalitionspartner Anap und einzelne Abgeordnete aus Ecevits DSP wollen nun über Änderungsanträge im Parlament noch versuchen, dass Schlimmste zu verhindern.