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25. Juli 2001 - bs

UA 185/01 ai-Index: EUR 44/045/2001

ABSCHIEBUNG / FOLTER UND MISSHANDLUNG SORGE UM SICHERHEIT

Türkei / Griechenland: 150 Bürger verschiedener Staaten Afrikas

Zahlreiche Bürger verschiedener afrikanischer Staaten sind aus Istanbul in das Grenzgebiet Ipsala zwischen der Türkei und Griechenland deportiert worden. Dort stehen ihnen weder Unterkünfte zur Verfügung, noch haben sie Wasser oder Lebensmittel. Die Einreise nach Griechenland wird ihnen verwehrt, und in die Türkei dürfen sie auch nicht zurückkehren. Berichten zufolge haben Angehörige der Sicherheitskräfte Misshandlungen, Folterungen und Vergewaltigungen begangen, und mindestens zwei Personen sollen bereits gestorben sein. Am 7. Juli 2001 wurde eine Gruppe von rund 200 Personen aus Nigeria, Äthiopien, Eritrea, Tansania, Ghana und Sudan bei einer Razzia, die sich offenbar auf Bürger afrikanischer Staaten konzentrierte, von der Polizei in Istanbul festgenommen. Sie wurden nach vorliegenden Informationen zum Ausländeramt der Polizeizentrale von Istanbul gebracht, wo man sie sieben Tage lang unter unhygienischen Bedingungen und ohne Matratzen in Haft hielt. Sie wurden dort geschlagen, und einem Anwalt, der die Gefangenen besuchen wollte, wurde der Zugang zu ihnen verweigert. Wie es heißt, mussten die Gefangenen in Türkisch verfasste Erklärungen unterzeichnen, denen zufolge sie von Griechenland in die Türkei eingereist seien und nun freiwillig dorthin zurückkehren wollten. Die türkische Polizei soll einigen der Gefangenen Seiten aus ihren Reisepässen gerissen haben, auf denen Visa für die Türkei eingetragen waren. Am 14. Juli 2001 brachten türkische Gendarmen die Gruppe an die Grenze zu Griechenland, wo die Menschen weder Wasser noch Lebensmittel hatten. Sie sollen gezwungen worden sein, auf die griechische Seite zu laufen, und die Gendarmen drohten damit, sie zu erschießen, falls sie zurückkämen. Die Gendarmen sollen auf die Mitglieder der Gruppe eingeprügelt haben. Drei Frauen und ein Mann, die einer Gruppe von 16 Personen angehörten, denen die Rückkehr nach Istanbul gelang, gaben an, vergewaltigt worden zu sein. Andere wurden von Angehörigen der türkischen Gendarmerie sexuell misshandelt. Es steht zu befürchten, dass mindestens zwei Personen im Fluss Meriç zwischen Griechenland und der Türkei ertrunken sind. Der Gruppe wurde die Einreise nach Griechenland verweigert, stattdessen wurden die Deportierten von der griechischen Grenzpolizei einen Tag lang in Haft genommen und dann gezwungen, in die Türkei zurückzukehren. Der Gruppe, der auch eine Schwangere angehören soll, wurde aber weder die Einreise in die Türkei gestattet, noch konnten sie in Griechenland bleiben. Die Menschen befinden sich nach wie vor im Grenzgebiet zwischen beiden Ländern und haben weder Wasser, Nahrungsmittel noch Unterkünfte. In der Grenzregion gibt es zudem Minenfelder.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN Derzeit leben in Istanbul mehrere hundert Afrikaner, die aufgrund der politischen oder wirtschaftlichen Lage aus ihren Heimatländern geflohen sind. Einige von ihnen sind vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) anerkannte Flüchtlinge. Da es jedoch in der Türkei keine angemessenen rechtlichen Schutzmechanismen für diese Menschen gibt, sind sie in Gefahr, in der Haft misshandelt zu werden und in Länder abgeschoben zu werden, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Obwohl die Türkei die Genfer Flüchtlingskonvention nur mit Einschränkungen unterzeichnet hat, womit sie sich das Recht vorbehält, Flüchtlinge aus nicht-europäischen Staaten nicht zu akzeptieren, wird Asylsuchenden aus Staaten außerhalb Europas normalerweise gestattet, ihren Asylantrag durch den UNHCR prüfen zu lassen und während dieser Zeit in der Türkei zu bleiben. Die Prinzipien des internationalen Flüchtlingsrechts und menschenrechtliche Grundsätze müssen jeder Person gewährt werden, die schutzbedürftig sein könnte. Geografische Einschränkungen entbinden die Türkei nicht von ihren Verpflichtungen auf der Grundlage europäischer und internationaler Konventionen zum Schutz der Menschenrechte von Bürgern außereuropäischer Staaten und untersagt ihnen die Abschiebung von Personen in Staaten, in denen sie Gefahr laufen, Menschenrechtsverletzungen zum Opfer zu fallen. Das Prinzip des Non-Refoulement (Abschiebungsverbot) wird als allgemein verbindliche Norm des Völkergewohnheitsrechts betrachtet.

EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe oder Luftpostbriefe an die türkischen Behörden, in denen Sie * fordern, dass sie umgehend Maßnahmen einleiten, um die Sicherheit der Gruppe afrikanischer Staatsbürger im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Griechenland zu garantieren und ihnen die Rückkehr in die Türkei zu gestatten; * darauf dringen, dass umgehend eine umfassende und unabhängige Untersuchung der Misshandlungs- und Foltervorwürfe eingeleitet wird, die gegen Polizisten und Angehörige der Gendarmerie erhoben worden sind; * fordern, dass die Asylanträge von jedem einzelnen Mitglied der Gruppe in einem fairen Prozess geprüft wird, und dass man den Asylbewerbern Zugang zum UNHCR, Nichtregierungsorganisationen und rechtlichem Beistand gewährt; * die Türkei auffordern, sich an das Prinzip des Non-Refoulement zu halten und niemanden in ein Land abzuschieben, in dem der Person Menschenrechtsverletzungen, wie Folter oder grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung drohen; * sich besorgt darüber zeigen, dass diese Deportation offenbar auf der Grundlage rassischer Erwägungen durchgeführt wurde und keine Möglichkeit einer rechtlichen Prüfung zuließ sowie dass die Sicherheit und das Überleben der deportierten Menschen nicht sichergestellt wurde; * die Behörden auffordern, jede Form des institutionalisierten Rassismus, d.h. Rassismus, der offen oder verdeckt in politischen Entscheidungen, Vorgehensweisen und Praktiken privater oder öffentlicher Institutionen zutage tritt, zu unterbinden.

APPELLE AN: Herrn Rüstü Kazim Yücelen, Içisleri Bakanligi, 06644 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI (Innenminister) Telefax: (00 90) 312 418 1795

KOPIEN AN: Herrn E. Safter Gaydali, Büro des Ministerpräsidenten, Basbakanlik, 06573 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI (Minister und Beauftragter für Menschenrechtsfragen) Telefax: (00 90) 312 417 0476 Kanzlei der Botschaft der Republik Türkei, Rungestr. 9, 10179 Berlin (S. E. Herrn Osman Taney Korutürk) Telefax: 030-275 90 915 - E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de

EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe oder Luftpostbriefe an die griechischen Behörden, in denen Sie * auf Berichte hinweisen, denen zufolge eine Gruppe Staatsbürger verschiedener afrikanischer Staaten in der Türkei Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen wurden und deshalb in Gefahr sind, erneut misshandelt und gefoltert zu werden, wenn sie in die Türkei zurückgeschoben werden; * sich besorgt darüber zeigen, dass die Angehörigen dieser Gruppe Berichten zufolge gegen ihren Willen von den griechischen Behörden in die Türkei zurückgeschickt wurden, ohne dass man ihnen die Möglichkeit eingeräumt hatte, einen Asylantrag zu stellen, was einen Verstoß gegen das Prinzip des Non-Refoulment darstellt; * Griechenland auffordern, sich an das Prinzip des Non-Refoulement zu halten und niemanden in ein Land abzuschieben, in dem ihm oder ihr Menschenrechtsverletzungen, wie Folter oder grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung drohen.

APPELLE AN: Mr Mihalis Chrysohoidis, Minister of Public Order, Ministry of Public Order, 1 Katehaki Street , 101 77 Athens, GRIECHENLAND (Minister für öffentliche Sicherheit - korrekte englische Anrede: Dear Minister) Telefax: (00 30) 1 691 79 44

KOPIEN AN: Kanzlei der Griechischen Botschaft, Jägerstraße 54/55, 10117 Berlin Telefax: 030- 2062 6444; 030-2062 6555 - (S. E. Herrn Dimitrios Nezeritis) Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 5. September 2001 keine Appelle mehr zu verschicken.