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Hamburg, 28. Mai 2001

Wir dokumentieren aus der türkischsprachigen Tageszeitung ‚Özgür Politika' vom 23. Mai 2001 ein längeres Interview von Murat Sarac mit Osman Öcalan, Mitglied des Präsidialrates der PKK, welche Politik die PKK vor allem in Europa im Rahmen der zweiten Friedensoffensive verfolgt.


'Identität bedeutet demokratische Befreiung'

"Die erste Friedensoffensive bestand in ihrem Kern aus der Beendigung des Krieges und der Verhinderung der Rückkehr zu einem Krieg, der durch den Komplott verschärft worden wäre und die Gegensätze vertieft hätte. Sie fand ihre Fortsetzung in der Schaffung einer Atmosphäre, in der die möglichen Lösungen der bestehenden Fragen diskutiert werden können."

Von Murat Sarac

Die Arbeiterpartei Kurdistans PKK hat mit ihrer zweiten Friedensoffensive sowohl in Kurdistan und der Türkei als auch in Europa eine neue Diskussion angeregt. Häufig angewandte Begriffe in dieser Diskussion sind "Bekenntnis zur Identität" ("kimlik bildirim") und "Willensbekundung" ("irade beyani"). Worauf sich diese Strategie stützt, wollten wir von einem PKK-Vertreter persönlich erfahren. Auf die Fragen von ÖZGÜR POLITIKA erklärte Osman Öcalan, Mitglied des Präsidialrates der PKK, welche Politik die PKK im Rahmen der zweiten Friedensoffensive verfolgt. Er teilte mit, dass sich mit der Vervollständigung der kurdischen Revolution alles auf die demokratische Befreiung ausrichte.

Die PKK hat die zweite Friedensoffensive begonnen. Bevor wir zu diesem Thema kommen - die Kurden und die kurdische Frage sind wieder zu einem aktuellen Thema der internationalen Politik geworden. Genauer gesagt, sind die Kurden mit einer aktiven Politik in eine neue Phase getreten. Können Sie die kurdische Position in dieser Etappe erläutern?

Wir befinden uns in einer neuen Etappe des nationalen Befreiungskampfes unseres Volkes. Diese Etappe ist die Phase, in der für die nationale Frage und die gesellschaftlichen Probleme eine Lösung im demokratischen System gefunden werden wird. Es ist bekannt, dass die kurdische Befreiungsbewegung einhergehend mit den Demokratisierungsproblemen der Gesellschaft, in der sie lebt, die kurdische Frage in die Hand genommen hat, und verschiedene Etappen in dem von ihr geführten Kampf für eine Lösung durchlaufen hat. Bei diesen Etappen handelt es sich erstens um die gelebte Revolution ("Dirilis Devrimi", schwer zu übersetzen, hat was mit "Wiederbelebung" oder auch "Wiedergeburt" zu tun), die 1999 abgeschlossen wurde, und zweitens um die Lösungsphase, die mit dem Begriff "Demokratische Befreiung" umschrieben werden kann.
Während die "Dirilis Devrimi" im wesentlichen im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts ihrem Ziel zugeführt wurde, findet die Etappe, in der die Befreiung im Rahmen des demokratischen Systems verwirklicht und eine Lösung erbracht werden wird, Anfang des 21. Jahrhunderts statt. Vor allem diese Tatsache muss genau definiert werden; anders als in anderen Ländern war unser Volk in Kurdistan mit den Schwierigkeiten der Umsetzung der "Dirilis Devrimi" konfrontiert. Denn die kurdische nationale Wirklichkeit war einer nationalen Vernichtungs- und Verleugnungspolitik ausgesetzt. Als Resultat dieser Politik, die auch von internationalen Kräften unterstützt wurde, stand das kurdische Volk kurz vor dem Aus. Die Vernichtungspolitik hatte schwerwiegende, negative Tatsachen geschaffen. Das kurdische Volk war an einen Punkt gebracht worden, an dem es nicht wusste, wie es die Lösung seiner Probleme umsetzen soll. Es gab die sehr schwache Tendenz, die nationale Existenz fortzuführen, aber die vorherrschende Tendenz bestand darin, die eigene nationale Wirklichkeit abzutrennen und sich in der herrschenden nationalen Wirklichkeit aufzulösen.
Diese Tendenz blieb nicht nur darauf beschränkt, das kurdische Volk in Opposition zum eigenen Nutzen zu bringen. Wenn diese Tendenz Bestand gehabt hätte, wäre auch der Aufbau anderer Nationen empfindlich gestört worden. In Anbetracht dessen ist offensichtlich geworden, dass die über Kurdistan Herrschenden, so sehr sie auch einen Nutzen darin sehen, dass sich die Kurden auflösen, mehr Schaden als Nutzen durch die entstehenden Resultate erlitten hätten. Das Vakuum, das durch die Entfremdung von der nationalen Wirklichkeit entsteht, und die Vereinigung mit einer anderen Wirklichkeit hätten keine andere Entwicklung als ein Knäuel von Widersprüchen zugelassen, die eine Lösung erschwert hätten.
An diesem Punkt ist es notwendig, zur Überwindung der durch die nationale Leugnungs- und Vernichtungspolitik geschaffenen negativen Ergebnisse auf der Grundlage freier Gemeinsamkeit ein demokratisches Leben zu erreichen, in dem sich nicht ein Teil auflösen muss, sondern jeder in der eigenen Wirklichkeit leben kann. Das war die Hauptachse in der nationalen "Dirilis Devrimi" der PKK.

Mit dem Eingriff der PKK im kurdischen Volk wurde somit auf eine Art auch in allen anderen Gesellschaften interveniert...

Unser Ziel bestand darin, der gegen unser Volk angewandten Verleugnungs- und Vernichtungspolitik nicht die Möglichkeit zum Erfolg zu geben; im Gegenteil wollten wir gewährleisten, dass das kurdische Volk sich seiner nahezu zerstörten nationalen Wirklichkeit annimmt, und ein Leben verwirklicht wird, dass auf freien Beziehungen mit den herrschenden Nationen aufbaut. Auch wenn immer wieder in unserem nationalen Befreiungskampf die Rede von einem separaten Leben war, wurde die separatistische Form niemals als einziger, unverzichtbarer Weg angesehen.
Die Grundlage der an die freie Einheit angelehnten Lösung bildet das Prinzip, dass keine Intervention in die gesellschaftliche Entwicklung der jeweiligen Nationen zugelassen wird. Der Begriff "Dirilis Devrimi" beinhaltet, dass wir uns den Geist dessen zur Grundlage genommen haben. Dieser Abschnitt wurde mit der Überwindung der nationalen Leugnungs- und Vernichtungspolitik durch den von Mitte der siebziger bis Ende der neunziger Jahre geführten Kampf vervollständigt. Das mit der eigenen Vernichtung konfrontierte kurdische Volk hat sich die nationale Wirklichkeit angeeignet und besitzt die Kraft und die Möglichkeiten, die bestehenden Probleme ihrer Lösung zuzuführen. Vor allem haben sich die Kurden ihre Identität angeeignet. Sie haben sich aus der Situation befreit, sich ihrer nationalen Werte zu schämen, sich davon zu entfernen und sich in der herrschenden Nation aufzulösen. Entsprechend der Identitätsaneignung wurde eine Situation erreicht, in der unter jeder Bedingung der nationale Nutzen entwickelt und verteidigt werden kann. Auch im Bereich Bewusstsein und Organisierung haben grosse Entwicklungen stattgefunden. Das Volk hat ein Bewusstsein entwickelt und sich organisiert. Auf dieser Grundlage ist die Fähigkeit geschaffen worden, politische, militärische, organisatorische und diplomatische Aktivitäten zu entfalten. Wir können auch sagen, dass die Kurden zu einer Macht geworden sind. "Dirilis Devrimi" bedeutet, dass aus unserem Volk eine Kraft geworden ist.

Aber haben die Kurden damit nicht auch das internationale Gleichgewicht gestört? Was für eine Politik verfolgen Sie?

Richtig, genau zu dem Zeitpunkt, als diese Phase vervollständigt worden ist, wurde der internationale Komplott entwickelt, um die gewonnenen Errungenschaften zu vernichten. Beabsichtigt wurde damit, in der Person unserer Führung das Beharren auf der Verleugnungs- und Vernichtungspolitik gegen unser Volk zu wecken, das den Befreiungskampf führte und seine Kraft und Möglichkeiten gefunden hatte. Im internationalen Komplott waren mit der Gefangenschaft unserer Führung die Errungenschaften der Revolution in grosse Gefahr geraten. Die Auflösung unserer Partei wurde angestrebt; um das zu verwirklichen, wurden vielseitige Angriffe gestartet. Diese Gefahr war nicht zu unterschätzen. Beabsichtigt war die Vernichtung und Verleugnung unseres Volkes. Durch die Beabsichtigung der Vernichtung der durch grosse Hingabe erzielten Errungenschaften entstand eine gefährliche Situation. Unsere Errungenschaften zu verteidigen und gestützt auf diese Errungenschaften auf dem Weg zur Lösung weiterzukommen, ist die historische Aufgabe, die sowohl vor den Führungskräften als auch vor den breiten Volksmassen liegt.
Die Organisierung breiten Widerstands unserer Partei angesichts der genannten Gefahr, der Schutz der Errungenschaften der nationalen "Dirilis Devrimi", um mit einer strategischen Annäherung den Komplott ins Leere laufen zu lassen, und die Befähigung, zu einem Stützbalken einer möglichen Lösung zu werden, kommen einer historischen Prüfung gleich. Der politische Kampf im Frieden anstelle des Krieges wurde mit dieser Annäherungsweise gefestigt.
Die neue Phase hat im auf den Frieden gestützten politischen Kampf verschiedene Etappen durchlaufen. Die erste Etappe war der Aufruf vom 2. August 1999, mit dem der Krieg gestoppt und unsere Guerillakräfte aus der Kriegsposition zurückgezogen wurden. Eine weitere Etappe waren als symbolische Initiativen die Friedensgruppen aus der Guerilla und Europa. Ebenfalls in diese Etappe gehören intensive Propaganda- und Massenaktivitäten. Diese Etappen bilden den Kern der ersten Friedensoffensive. In der in diesem Rahmen entstandenen neuen Phase im auf Frieden gestützten politischen Kampf bestand die erste Friedensoffensive in ihrem Kern aus der Beendigung des Krieges und der Verhinderung der Rückkehr zu einem Krieg, der durch den Komplott verschärft worden wäre und die Gegensätze vertieft hätte. Sie fand ihre Fortsetzung in der Schaffung einer Atmosphäre, in der die möglichen Lösungen der bestehenden Fragen diskutiert werden können.

Welche Ergebnisse hat die erste Friedensoffensive erbracht, die die Grundlage für die jetzt von der PKK augerufene zweite Friedensoffensive bildet?

Die die Jahre 1999 und 2000 einschliessende Phase hat ihr grundlegendes Ziel erreicht. Die mit vielseitigen konkreten Schritten unterstützte Friedensarbeit blieb nicht auf die praktische Beendigung des Krieges beschränkt. Die Verschärfung des Krieges wurde verhindert und die Spannung vermindert. Darum sagen wir, dass die erste Friedensoffensive ihr gesetztes Ziel erreicht hat. Die revolutionären Kräfte wurden bedrängt, es wurde damit gerechnet, dass sie sich auflösen. Insofern konnte nicht damit gerechnet werden, dass die internationalen oder die über Kurdistan herrschenden Kräfte praktische Schritte bezüglich einer Lösung unternehmen. Es war notwendig, negative Entwicklungen zu beschneiden und eine Atmosphäre für eine Lösung zu schaffen. Ausserdem standen unsere Kräfte stark unter dem Einfluss der Gefangennahme unserer Führung, den es zu überwinden galt. Die Verhinderung verstärkter negativer Entwicklungen und die Vorbereitung einer Atmosphäre, in der die Probleme gelöst werden können, war an diesem Punkt die definitiv richtigste Haltung. Unsere Partei hat auf dieser Basis agiert. Sie hat die Prüfung in diesem schwierigen Prozess mit Erfolg bestanden. Trotz der Grösse des Erfolgs besteht die Notwendigkeit einer neuen Offensive. Deshalb ist sie mit den erzielten Ergebnissen in eine neue Etappe, in den Prozess der "Nationalen Befreiung" getreten.

Kommen wir also zur zweiten Friedensoffensive.... oder besser gesagt zu der Phase, in der die Intensivierung der Demokratisierungsphase angestrebt wird...

Die erste Friedensoffensive stellte grundsätzlich eine Übergangsphase dar. Um die Vertiefung negativer Entwicklungen zu verhindern und eine für eine Lösung geeignete Atmosphäre zu schaffen, sind wir dazu gebracht worden, uns in dieser Form festzulegen. Die Fortsetzung des Krieges wurde verhindert, der Frieden kam als ein Bedürfnis auf die Tagesordnung, gegen das niemand angehen konnte. Zu dieser Zeit waren auch die Bedingungen geschaffen, die Zwischenetappe zu überwinden und den Demokratischen Wechsel, die Demokratische Transformation in die Praxis umzusetzen. Die Serhildan-Phase, die am 15. Februar 2001 begonnen wurde und ihren Höhepunkt zu Newroz fand, zeigte deutlich die Notwendigkeit dessen. Newroz war der praktische Beweis für die Entwicklungsphase, in die wir getreten sind. Um die politischen Ziele der neuen Phase in passender Form zu entwickeln, musste basierend auf dem politischen Kampf eine Offensive gestartet werden. Die zweite Friedensoffensive ist als Festigung der neuen Phase zu verstehen. In der neuen Phase geht es nicht mehr darum, dass das kurdische Volk sich seine Identität aneignet und zu einer Macht wird. Es geht darum, von dem erreichten Grad ausgehend den demokratischen Wechsel und Wandel umzusetzen und die nationale Befreiung in die Hand zu nehmen. Angestrebt wird dabei, einhergehend mit der Akzeptanz der Problemlösung in zu entwickelnden Schritten dieses in die Praxis umzusetzen.
Dieses Offensive hat das Ziel, die Akzeptanz der Lösung durch alle beteiligten Seiten zu erreichen. Die Bedingungen dafür sind geschaffen. Die am internationalen Komplott beteiligten sowie die regionalen Kräfte haben als Resultat des von unserem Volk gezeigten Widerstandes erkannt, dass die Fortsetzung ihrer Verleugnungs- und Vernichtungspolitik nicht möglich ist. Auch wenn sie es schwer verdauen können, haben sie diese Tatsache begriffen. Während die praktische Umsetzung der Lösung an Aktualität zunimmt, liegt vor dem kurdischen Volk eine Phase, in der zum einen seine Macht wachsen wird, zum anderen Bündnisse mit demokratischen Kräften eingegangen werden.
In diesem Sinne wird mit der zweiten Friedensoffensive angestrebt, die Auflösung der bestehenden Probleme zu praktizieren, die Kraft des kurdischen Volkes durch den Geist der demokratischen Aktion zu steigern und mit der Gründung von Bündnissen mit demokratischen Kräften die Entwicklung dessen zu gewährleisten.

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Wie soll das "Identitätsbekenntnis" konkret aussehen?

Sie haben alle Kurden und Kurdinnen dazu aufgerufen, sich in der zweiten Friedensoffensive zur eigenen Identität zu bekennen. Was ist das Ziel dieser Kampagne? Auf welche Weise, in welchem Umfang und wo soll sie umgesetzt werden?

Die zweite Friedensphase wird die Serhildan-Bewegung entwickeln und stärken. In der Vergangenheit wurden Aktionsformen wie Kundgebungen, Demonstrationen, Volksversammlungen, Rollädenschliessen, Boykotte, Streiks, das Anziehen traditioneller Kleidung, Verdunkelungsaktionen usw. angewandt. Mit den Serhildans wurde die Entwicklung gewährleistet bzw. zumindest eine geeignete Atmosphäre für eine Lösung geschaffen. Um die Kraft und Effektivität der Serhildan-Bewegung zu steigern, müssen neben den bisherigen Aktionsformen neue Aktivitäten entwickelt und vorangetrieben werden. Die erwähnten Aktionen sind auch für die zweite Friedensoffensive von Bedeutung. Ihre Umsetzung in einer wirkungsvolleren Form bildet die Basis für die Steigerung der Kraft der Serhildan-Bewegung.
Eine dieser neuen Aktionsformen ist das "Identitätsbekenntnis" der breiten Volksmassen. Es spielt eine Rolle für die offizielle Beendigung der Verleugnungs- und Vernichtungspolitik, die in der Praxis ohnehin nicht mehr funktioniert. Anders ausgedrückt muss die trotz allem erschaffene Entwicklung auch vom juristischen Standpunkt aus untermauert werden. Was wir mit der offiziellen Anerkennung erklären wollen ist, dass das kurdische Volk die Verleugnungs- und Vernichtungspolitik nicht hinnimmt, was es auch mit politischen Aktionen zum Ausdruck gebracht hat. Die erwähnte Politik ist von unserem Volk niemals akzeptiert worden und basierte auf Gewalt. Das kurdische Volk hat seine Ablehnung dieser Politik mit der täglich ansteigenden Beteiligung an den Aktionen gezeigt. Es ist sehr deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass dieser Art der Politik jegliche Grundlage fehlt und sie keine Erfolgschancen hat. Nach wie vor beharren einige auf der im Abkommen von Lausanne geformten Verleugnungs- und Vernichtungspolitik. Die internationalen und die über Kurdistan herrschenden Kräfte haben ihre ergebnislose Politik immer noch nicht aufgegeben. Auch wenn diese Kräfte in der Praxis ihre Möglichkeiten politischen Vorgehens verloren haben, versuchen sie nach wie vor, ihre Verleugnungs- und Vernichtungspolitik an einzelnen Orten fortzuführen.
Die Strategie des "Identitätsbekenntnisses" in der zweiten Friedensoffensive verfolgt den Zweck, Initiativen ohne praktischen Wert zu beenden und das, was in politischer Dimension verwirklicht worden ist, in einen juristischen Rahmen zu bringen.

Was für ein Projekt gibt es für die Kurden, die in Europa leben? Wird die Kampagne "Identitätsbekenntnis" in Europa stattfinden?

Die Kampagne ist nicht auf eine Region begrenzt. Sie wird sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Die Architekten der nationalen Verleugnungs- und Vernichtungspolitik, die das Abkommen von Lausanne getroffen haben, sind auf internationaler Ebene die europäischen Kräfte unter der Führung Englands und auf nationaler Ebene die Türkei. Deshalb ist die Durchführung der Kampagne in Europa und der Türkei sowohl in historischer als auch in aktueller Hinsicht eine Notwendigkeit. Als das osmanische Reich zusammengebrochen ist, haben die imperialistischen Mächte auf das Nicken Englands hin Anatolien besetzt. Das kurdische und das türkische Volk haben in einem Bündnis Widerstand gegen die Besatzung geleistet. Mit dem Befreiungskrieg wurde der Abzug der Besatzer aus Anatolien erreicht. In den Jahren des Befreiungskrieges war das Verhalten Mustafa Kemals und seinen Leuten zum Thema Kurden nicht von Verleugnung geprägt. Sie haben intensive Diskussionen über die Form einer Lösung geführt. Als jedoch England und seine Verbündeten interveniert haben, wurde anstelle einer Lösung, die die Anerkennung der kurdischen Identität beinhaltete, die in Lausanne geformte Verleugnungs- und Vernichtungspolitik auf die Tagesordnung der Türkei gebracht. Bis zur Konferenz von Lausanne stand die kurdische Frage auf der Tagesordnung, danach war es die Verleugnungs- und Vernichtungspolitik. Massgeblich daran beteiligt waren mehr als Mustafa Kemal und seinen Leuten England und mit seinen Verbündeten. Die Gründer der Republik Türkei wurden durch die Intervention Englands und seinen Verbündeten auf einen billigen Weg geschickt und somit der Weg dafür bereitet, die Kurden, die mit den Türken in schwersten Zeiten ein Bündnis gebildet hatten, ins Abseits zu stellen.
Aus den Architekten der Verleugnungs- und Vernichtungspolitik wurde später die EU. Mit dem PKK-Verbot von 1993 nahm Deutschland die negative Vorreiterrolle dieser Phase ein. Das Verbot wurde in Deutschland eingeführt und in England fortgesetzt. Das letzte gegen unsere Partei gerichtete Verbot, das den ganzen Einsatz für die Verleugnungs- und Vernichtungspolitik zeigt, kam aus England. Die Aktualisierung des PKK-Verbots im Jahr 2001, um zu Beginn des 21. Jahrhunderts die kurdische Frage, die sich auf direktem Wege zu einer Lösung befindet, erneut zur Ausweglosigkeit zu verurteilen, ist in diesem Sinne wichtig. Aus diesem Grund betrachten wir Europa noch mehr als die Türkei als den Architekten der Verleugnungs- und Vernichtungspolitik sowohl zu Beginn des 20. Jahrhunderts als auch während der folgenden Entwicklungen.
In Anbetracht der Verantwortung Europas besteht auch der Bedarf, Initiativen zur Überwindung der Verleugnungs- und Vernichtungspolitik in Europa beginnen zu lassen. Ebenso wie sie Verleugnung und Vernichtung beginnen lassen haben, müssen sie auch den Anfang für die Lösung der kurdischen Frage setzen.

Welche Rolle wird die Kampagne "Identitätsbekenntnis" in dieser Hinsicht spielen?

Die Kampagne dient der Verwirklichung der juristischen Anerkennung der kurdischen Identität. Das kurdische Volk hat sich aktiv zu seiner Identität bekannt. Eine ausreichende Antwort ist daraufhin jedoch nicht gegeben worden. Das Identitätsbekenntnis muss sich auf juristischem Gebiet abspielen.
Unser in verschiedenen Gegenden Europas lebendes Volk soll sich gruppenweise an die Gerichte wenden und sich selbst als PKK-Anhänger, als nationale Befreiungskämpfer deklarieren. Durch das PKK-Verbot sind die Gerichte dazu gezwungen, gesetzliche Massnahmen zu ergreifen. Das offene Bekenntnis zur PKK muss neben den Gerichten auch auf anderen Ebenen stattfinden, die mit den Gesetzen Europas zu tun haben. Egal was im Ausweis steht und aus welchem Anlass, bei jedem Kontakt mit den Gesetzen muss darauf bestanden werden, dass die kurdische Identität registriert wird. Und am wichtigsten dabei ist, dass sich als PKK-Anhänger an die Gerichte gewendet wird. Auf den Gerichten wird daran angelehnt die Rechnung für alle durch die nationale Verleugnungs- und Vernichtungspolitik entfachten Aufstände und alle zur Niederschlagung dieser Aufstände begangenen Verbrechen an der Menschheit gefordert werden. Während auf der einen Seite die Rechnung gefordert wird, wird auf der anderen Seite offengelegt, dass die Rechnung für die Verbrechen nur durch die Anerkennung der Lösung der kurdischen Frage innerhalb des demokratischen Systems beglichen werden kann.
In ihrem Kern hat die Aktion "Identitätsbekenntnis" also diese Funktion. Sie verfolgt den Zweck, dass die, die das Problem erschaffen haben, damit in ihrem eigenen juristischen System fertig werden müssen. Die Aktion umfasst die Aufhebung jeglicher Funktionsfähigkeit der Leugnung sowie die Anerkennung der Möglichkeit, dass Kurden sich frei politisch betätigen können. Die Staaten Europas sollen ihre negative Rolle der Vergangenheit dieses Mal auf eine Lösung gerichtet spielen. Aus den Gerichten aller Länder sollen Plattformen werden, auf denen die Lösung der kurdischen Frage diskutiert wird, die Verleugnungs- und Vernichtungspolitik als Verbrechen anerkannt wird, das nur einhergehend mit einer Lösung verzeihbar sein wird. Während mit der Aktion "Identitätsbekenntnis" die Gerichte in Lösungsplattformen umgewandelt werden, muss an der Überwindung jeder Einstellung, jeder Haltung, die einer Lösung im Wege steht, gearbeitet werden. Einhergehend mit verschiedenen Initiativen auf anderen Ebenen muss alles auf die Akzeptanz der nationalen Wirklichkeit gerichtet werden. Der Beginn dafür ist der 31. Mai.