amnesty international
Urgent Action

UA-Nr: UA-385/2000-1
AI-Index: EUR 44/002/2001
Datum: 11.01.2001


DROHENDE MISSHANDLUNG UND FOLTER / EXZESSIVE GEWALTANWENDUNG


Weitere Informationen zu UA 385/00 (EUR 44/73/00, 20. Dezember 2000)

Türkei: politische Gefangene im Hungerstreik
Häftlinge, die nach der Erstürmung von Gefängnissen in neue Haftanstalten des Typs F verlegt wurden, sind Berichten zufolge geschlagen und gefoltert worden. In verschiedenen Gefängnissen der Türkei befinden sich nach wie vor mindestens 300 Häftlinge im Hungerstreik. Viele von ihnen nehmen seit über
70 Tagen lediglich Flüssigkeit zu sich.

Gefangene, die ins Gefängnis Kandira in der Nähe von Ismit verlegt worden sind, wurden Berichten zufolge bei ihrer Ankunft ausgezogen und mit Schlagstöcken vergewaltigt. Rechtsanwälte der Häftlinge forderten daraufhin gerichtsmedizinische Untersuchungen, die jedoch von den Gefängnisbehörden
abgelehnt wurden. Somit konnten die Misshandlungs- und Vergewaltigungsvorwürfe bislang nicht verifiziert werden.

In den neuen Gefängnissen des Typs F sind Gefangene in kleinen Zellen untergebracht und nicht mehr in Schlafsälen, in denen bis zu 60 Häftlinge zusammenlebten. Aus Protest gegen die Verlegung in die neuen Gefängnisse traten im Oktober vergangenen Jahres über 1.000 Häftlinge in den Hungerstreik, weil sie befürchteten, dass sie isoliert würden und in größerer Gefahr seien, angegriffen oder gefoltert zu werden, wenn sie allein oder in kleinen Gruppen untergebracht sind.

Alle bislang vorliegenden Berichte bestätigen, dass die Gefangenen entgegen den Zusicherungen des Justizministers in den neuen Gefängnissen isoliert werden. Viele Häftlinge haben tagelang keinen Kontakt zu ihren Mitgefangenen, sondern sehen nur die Wärter, von denen sie oftmals tätlich angegriffen werden. Einige Häftlinge haben seit Mitte Dezember 2000 keinen Besuch mehr empfangen dürfen.

Bis vor wenigen Tagen durften die Häftlinge in den drei bis jetzt belegten neuen Gefängnissen des Typs F ihre Zellen nicht verlassen. Häftlinge haben sich außerdem darüber beschwert, dass in den Gefängnistrakten außerhalb der Zellen sehr laute Musik gespielt werde.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Bei der Erstürmung von 20 Gefängnissen im Dezember vergangenen Jahres wurden mindestens 29 Häftlinge und zwei Soldaten getötet. Laut Angaben von Ärzten und Rechtsanwälten, die die neuen Gefängnisse besucht haben, sowie von Familienangehörigen der Häftlinge und von drei Gefangenen, die vor kurzem aus Gefängnissen des F-Typs entlassen worden sind, wurden Häftlinge im Rahmen der Verlegung in die neuen Gefängnisse geschlagen und einige von ihnen gefoltert.

amnesty international hat sich in einem Schreiben an den türkischen Justizminister gewandt und ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Gefangenen in den neuen Gefängnissen möglicherweise über lange Zeiträume isoliert und somit der Gefahr ausgesetzt werden könnten, misshandelt oder gefoltert zu werden. amnesty international hat die Behörden um die Zusicherung gebeten, dass alle Häftlinge regelmäßig miteinander in Kontakt treten können.

EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte weitere Telefaxe oder Luftpostbriefe, in denen Sie

fordern, dass die Misshandlungen und Folterungen von Gefangenen sofort eingestellt werden;

die türkischen Behörden auffordern, Rechtsanwälten und unabhängigen Ärzten den Zugang zu den Gefängnissen zu erlauben, um die Misshandlungs- und Foltervorwürfe zu untersuchen und die Häftlinge medizinisch zu versorgen;

fordern, dass Vertretern von Rechtsanwalts- und Medizinervereinigungen sowie Menschenrechtsorganisation der Zugang zu den neuen Gefängnissen ermöglicht wird, damit sie überprüfen können, ob die Hafteinrichtungen in Übereinstimmung mit den rechtlichen Vorschriften in der Türkei und internationalen Standards für die Behandlung von Gefangenen geführt werden;

bei den Behörden darauf dringen, dass die Einzelhaft und Isolierung von kleinen Häftlingsgruppen über längere Zeiträume in den Gefängnissen des Typs F eingestellt wird und man den Häftlingen erlaubt, miteinander in Kontakt zu treten;

fordern, dass die Familienangehörigen über den Haftort und den Gesundheitszustand der Gefangenen informiert werden;

verlangen, dass eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Todesfälle und der Verletzungen während der Gefängnisstürmungen eingeleitet wird, und die Ergebnisse der Ermittlungen veröffentlicht werden;

fordern, dass die hungerstreikenden Häftlinge die erforderliche medizinische Versorgung erhalten.

APPELLE AN:

Herrn Saadettin Tantan, Innenminister der Türkei, Innenministerium, Içisleri
Bakanligi, TR-06644 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI
Telefax: (00 90) 312 418 1795

Herrn Prof.Hikmet Sami Türk, Adalet Bakani, Adalet Bakanligi, TR-06659
Ankara, REPUBLIK TÜRKEI (Justizminister)
Telefax: (00 90) 312 418 5667; (00 90) 312 417 3954

KOPIEN AN:

Herrn Rüstü Kazim Yücelen, Büro des Ministerpräsidenten, Basbakanlik, 06573
Ankara, REPUBLIK TÜRKEI
(Beauftragter für Menschenrechtsfragen)
Telefax: (00 90) 312 417 0476

Kanzlei der Botschaft der Republik Türkei
(S. E. Herrn Osman Taney Korutürk)
Rungestr. 9
10179 Berlin
Telefax: 030-2759 0915
E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. Februar 2001 keine Appelle mehr zu verschicken.

FURTHER RECOMMENDED ACTION: Please send faxes/express/ airmail letters in English or your own language urging the Turkish authorities to ensure:

- an immediate end to torture and ill-treatment of prisoners;

- that lawyers and independent doctors have access to prisons to investigate allegations of torture and ill-treatment, and to provide necessary medical care;

- that representatives of bar, medical and human rights associations have access to the new prisons, to ensure that they are run in accordance with Turkish law and international standards for the humane treatment of prisoners;

- that the regime of intense solitary or small group isolation in the F-type prisons is lifted, and that prisoners can associate with each other in common areas;

- that prisoners' families are kept fully informed about where they are held, and their state of health;

- immediate, comprehensive and independent investigations into the deaths and injuries caused during the December prison raids;

- that the prisoners on hunger strike are given all the medical care they request, including appropriate vitamin and mineral supplements.

amnesty international, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108
Bonn
Telefon: 0228/983 73-0 - Telefax: 0228/63 00 36 - email: ua-de@amnesty.de
Spendenkonto: 80 90 100 - BfS Köln - BLZ 370 205 00