Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 25, Jg. 12, 15.12.1999

Hinrichtungsjournalismus in "jungle world"

Die Zeitschrift "jungle world" hat in ihrer Ausgabe vom 17. November einen Artikel eines gewissen "Dirk Hempel" veröffentlicht. Der Artikel ist ein besonders starkes Stück von durchgeknalltem Hinrichtungsjournalismus.

Überschrieben mit "Notwehr" kommentiert dieser Dirk Hempel darin die Todesschüsse im israelischen Generalkonsulat und polemisiert indirekt gegen den Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, also gegen SPD, Grüne und PDS. Und zwar so: "Wer sich von einer Person bedroht sieht, der darf sie zur Not erschiessen und geht dabei straffrei aus. Nett ist das nicht, aber so regelt es das Gesetz. Notwehr nennt sich das dann." Nach diesem Einstieg schenken wir uns den Mittelteil, wo der Verfasser seine Sicht der kurdischen Aktion vor dem Generalkonsulat noch einmal zum besten gibt, bis auf die Stelle, wo nach seinem Weltbild ins "deutsche Klischee" gehört, dass "Juden" entweder "feige" abhauen oder "... sich wie die Lämmer zur Schlachtbank führen" lassen.

Nun ist der Vergleich zwischen einer kurdischen Protestaktion vor dem Konsulat und den nazistischen Schlachtbanken schon abstossend genug. Aber erst das "Finale" des Aufsatzes! Hier verkündet der Autor im Ton eines Scharfrichters: "Wenn also die Deutschen das Gebäude vor den Angriffen nicht schützen können oder wollen, tun es die Israelis eben selbst - und zwar so, wie sie es für richtig halten. Die deutsche Polizei, die deutsche Justiz und deutsche Politiker haben dann nichts mehr mitzureden. Und das ist gut so."

Soweit der Kommentator, der selbstredend mitquatscht, wo andere angeblich schweigen sollen.

Nun kann mensch über Konsulatsbesetzungen sicher verschiedener Meinung sein. In der Regel sind solche Aktionen lebensgefährlich, sollten unterbleiben und sind in ihrem konkreten Verlauf, nicht erst seit dem kurdischen Protest vor dem israelischen Generalkonsulat, oft furchtbar und opferreich.

Aber davon soll hier nicht geredet werden. Worüber zu reden ist, ist der Zynismus, den der Kommentator der "jungle world" gegenüber vier toten Kurdinnen und Kurden an den Tag legt. Menschen, die unbewaffnet waren und in den Rücken und in den Kopf geschossen wurden. Menschen, deren Verfolgung im Mittleren Osten wie hierzulande durch Polizei, Justiz, Asyl- und andere Behörden sattsam bekannt ist. Deren Verzweiflung und Not nach der Entführung Öcalans für jeden, der auch nur einen Funken Mitgefühl hat, bekannt sein muss.

Wie kann es angehen, dass ein Mensch, der meint, er sei "aufgeklärt", und der als Gegner von Antisemitismus daherkommt, in einen Hinrichtungsjargon verfällt, der sonst nur aus "BILD" und noch viel weiter rechts stehenden Revolverblättern bekannt ist?

"Wer sich von einer Person bedroht sieht, der darf sie zur Not erschiessen", behauptet dieser furchtbare Deutsche. In welch grauenhaftem deutschen Rechtskommentar hat er das gelesen? Wenn auch nur ein Schimmer davon zuträfe, würden Woche für Woche allein in Berliner Kneipen und U-Bahnen vermutlich hunderte von Menschen erschossen, ganz zu schweigen von Fussballstadien.

Mag sein, dass irgendwelche Italo-Western, wo vermeintlich heldenhafte, zumeist bärtige und in der Regel sturzbetrunkene Männer "Recht und Ordnung" schaffen und Menschen abknallen wie Vieh, dem Autor das Hirn vernebelt haben. Aber auch die Redaktion von "jungle world" hat an solchem Müll anscheinend nichts auszusetzen. Sonst hätte sie dieses Machwerk nicht gedruckt. Schon mal was von Herrenmenschen und Untermenschen gehört, ihr Leute von der "jungle world"?

Gegen kurdische Untermenschen ist, geht es nach manchen deutschen Herrenmenschen, offenbar alles erlaubt. (rül)