Kampagne Garbi muß bleiben

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Pressemitteilung

18-jähriger Kurde trotz massiver Proteste in die Türkei abgeschoben

Am Dienstag, dem 24. August 1999, wurde der 18-jährige Kurde Garbi Yildirim trotz anhaltender massiver Proteste, die vor allem von seinen Freundinnen, Freunden und Verwandten getragen wurden (taz bremen berichtete), abgeschoben. Er befand sich seit fünf Tagen im Hungerstreik.

Mit krankhafter Mißachtung von Menschenrechten wurde er - entgegen der Bestimmungen der Genfer Konventionen und gegen seinen Willen in ein Land zurückgeschoben, daß augenblicklich mit den Auswirkungen eines der schwersten Naturkatastrophen dieses Jahrhunderts zu kämpfen hat. Über 40.000 Tote, tausende Verletzte, ungenügende Unterbringungen, Hygienevorraussetzungen und medizinische Versorgung für die Bevölkerung, sowie die drohenden Ausbrüche von Seuchen haben weite Teile des Westens der Türkei in ein Ausnahmezustandsgebiet verwandelt.

Ungeachtet der ohnehin drohenden Inhaftierung und Folter, wurde Garbi Yildirim neben vielen anderen kurdischen Familien dorthin zurückgeschoben, während die Flughäfen der türkischen Metropolen überquellen mit Menschen, die dem augenblicklichen Elend entfliehen müssen.

Die katastrophalen Zustände nach dem schweren Erdbeben in der sogenannten Fluchtalternative West-Türkei enthüllen sehr deutlich die Realität der kurdischen (Inlands-)Flüchtlinge, die unter den schwersten sozio-ökonomischen Bedingungen in den Metropolen der West-Türkei leben. In den besonders stark betroffenen Stadtteilen und Gebieten, den sogenannten Gecekondus, lebt vornehmlich der ärmste Teil der Bevölkerung, darunter viele KurdInnen. Mehr als 40.000 Menschen starben in der letzten Woche, aufgrund des Erdbebens - eine traurige Bilanz, die nebenbei bemerkt die Opfer des seit über 15 Jahren anhaltenden Krieg gegen die KurdInnen weit übersteigt. Die türkische Regierung, die eine große Verantwortung für sämtliche Schäden trägt (in Bezug auf illegale Baugenehmigungen, Inlandsflucht etc.), drückt sich auch im jetzigen Chaos vor dieser Verantwortung. Sämtliche Kritiken, die selbst von den regierungsnahen Zeitungen, wie Sabah und Hürriyet, geäußert werden, gelten als Landesverrat.

Mit hartnäckiger Ignoranz werden seit Jahren abgeschobene kurdische Flüchtlinge ungeachtet der dokumentierten und nachweislichen Rückkehrgefährdungen, der drohenden Folter, Verhaftungen und Verfolgungen staatlicher Behörden in der Türkei ausgesetzt. Das Auswärtige Amt und sämtliche Abschiebebehörden bestreiten bisher diese generelle Repression und Verfolgung der kurdischen Zivilbevölkerung und argumentieren darüberhinaus, daß es KurdInnen vor allem im Westen der Türkei möglich sei, sich frei von jeglicher Repression eine sichere Existenz aufzubauen.

Auch nach dem schweren Erdbeben ändert sich ironischerweise nichts an dieser Version der Fluchtalternative West-Türkei. Noch immer finden die Abschiebebehörden "pardiesische Flecken" in der Türkei, in die weiterhin problemlos abgeschoben werden könne. Anstelle der dringend benötigten ausreichenden Hilfsgüter, Medikamente, Kleidung etc. senden die Abschiebebehörden unter Zustimmung der deutschen Regierung weiterhin kurdische Flüchtlinge in eine ungewisse und bedrohliche Zukunft.

Garbi Yildirim wird sich, vorausgesetzt er wird nicht sofort am Flughafen inhaftiert, gefoltert oder aufgrund seiner öffentlichen Kriegsdienstverweigerung gegen seinen Willen den Militärbehörden überstellt, allein im Chaos der Erdbebenfolgen in Istanbul wiederfinden.

Er besitzt weder Geld (es wurde selbst die Übersendung von Geld kurz vor seiner Abschiebung verhindert) noch ausreichende Kenntnisse der türkischen Sprache und hat zudem seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, die in der kurdischen Provinz Urfa (Ostanatolien), aus der er vor 8 Jahren aufgrund des Krieges und der Repression des türkischen Militärs gegen die kurdische Bevölkerung nach Deutschland floh, lebt. Welche Existenzmöglichkeit und Lebensperspektive sich für Garbi Yildirim bietet, der größtenteils in Deutschland sozialisiert wurde und seine Freunde und sein bisheriges Leben hinter sich lassen mußte, stand für die entscheidenden Behörden niemals zur Debatte. Ebensowenig die Traumatisierungen, die er durch die vollzogene Abschiebung, die eventuell erfahrende Inhaftierung, Einschüchterung und Folter erfahren wird.

Wir kritisieren aufs Schärfste die vollzogene Abschiebung unseres Freundes Garbi Yildirim und machen die zuständigen Behörden persönlich dafür verantwortlich, sollte unserem Freund Schädigungen an Leib und Leben zugefügt werden.

Wir werden uns gemeinsam dafür einsetzen, daß diese Abschiebung, die entgegen der Menschenrechtskonventionen vollzogen wurde, rückgängig gemacht wird. Wir werden uns dafür einsetzen, daß Garbi zurückkehren kann.

Desweiteren fordern wir sämtliche Innenmisisterien der Bundesländer auf, dem Beispiel des Innenministeriums in Rheinland-Pfalz zu folgen, einen de-facto Abschiebestop in die Türkei zu verhängen.