HAZ, 1.7.99

Kommentar: EU und Türkei

Eiertanz. Von einer gemeinsamen Außenpolitik sind die EU-Staaten noch weit entfernt. Das haben jetzt die Reaktionen auf das Todesurteil gegen den PKK-Chef Abdullah Öcalan gezeigt. Auch der deutschen Präsidentschaft gelang es nämlich nicht, mit den Partnerstaaten eine gemeinsame Resolution zu verabschieden.

Vor allem die Griechen, die Öcalan vor seiner Verhaftung sogar unterstützt hatten, hatten eine harte Kritik der EU an der verhängten Todesstrafe gefordert. Andere, darunter Deutschland, plädierten dagegen eher für eine Politik aus Zuckerbrot und Peitsche. Außer ein paar harten Worten sollte den Türken auch klargemacht werden, daß die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft noch immer besteht. Zu groß ist die Angst, daß man die Türkei in die Isolation und damit auf einen antiwestlichen Kurs treiben könnte.

Diese Perspektive aufzuzeigen ist allemal besser, als der von Rachemotiven bestimmten Politik der Griechen zu folgen. Allerdings sollte auch die Bundesregierung ehrlich sein: Die gravierenden Menschenrechtsverletzungen in der Türkei werden nur deshalb mit relativer Milde behandelt, weil das Nato-Land für den Westen von strategischer Bedeutung ist. Der Hinweis auf die später mögliche EU-Mitgliedschaft ist jedoch nicht mehr als eine Floskel. Die Ansichten über Minderheitenrechte, die Todesstrafe und die zivile Demokratie sind zu unterschiedlich, als daß die Türkei in absehbarer Zeit wirklich in den Klub der Europäer aufgenommen werden könnte.

Andreas Rinke, Hannover