Mittelbayerische Zeitung, 1.7.99

USA bauen auf Türkei 
Washington reagiert daher gelassen auf Öcalan-Urteil

Von Herbert Winkler, dpa WASHINGTON. 
Größer konnte der Kontrast zu Europa nicht sein. Als in der Türkei das Todesurteil gegen Abdullah Öcalan verkündet wurde, reagierten die USA gelassen. Öcalan sei ein internationaler Terrorist, der zur Verantwortung gezogen werden sollte, sagte Joe Lockhart, der Sprecher des Weißen Hauses. Im Außenministerium bescheinigte Sprecher James Rubin den Türken, der Prozeß sei „ordentlich“ verlaufen. Die Todesstrafe sei im übrigen eine innertürkische Angelegenheit.

Damit ist sich Washington auch im möglichen Schluß-Kapitel des Öcalan-Dramas treu geblieben. Eine Gemeinsamkeit mit den Europäern gibt es allerdings: Der Öcalan-Prozeß wird in Washington gleichfalls als eine Gelegenheit für die türkische Regierung gesehen, den Dialog mit den Kurden zu suchen und die Menschenrechte für alle zu stärken.

Der kurdische Separatisten-Chef ist für die USA kein „Freiheitskämpfer“. An seiner Festnahme in Nairobi waren sie nicht unbeteiligt. Über vier Monate lang, so schilderten anonym bleibende Regierungsbeamte in der US-Presse, habe Washington die Spur Öcalans verfolgt, der am 9. Oktober 1998 unter türkischem und amerikanischem Druck seinen „sicheren Hafen“ Syrien verlassen mußte.

Partner im Kampf gegen Irak

Als Italien ihn laufen ließ und Deutschland trotz der auf seinem Boden begangenen Taten keinen Auslieferungsantrag stellte, reagierte US-Außenministerin Madeleine Albright mit scharfer Kritik. Eine unbeirrbare Verfolgung verdächtiger Terroristen ist aber nicht der alleinige Grund für Washington, die Türken mit Samthandschuhen anzufassen. Die Türkei ist an der Südflanke der Nato geopolitisch ein strategischer Partner in einer unruhigen Region. In der Auseinandersetzung mit dem irakischen Präsidenten Saddam Hussein dient der türkische Stützpunkt Incirlik als Basis für Kontrollflüge in der Flugverbotszone im Nordirak. Außerdem ist er eine Abhörstation der Geheimdienste.

Der stellvertretende irakische Regierungschef Tarik Asis holte sich erst Mitte Februar dieses Jahres bei einem Ankara-Besuch eine Abfuhr mit der Forderung, die Türken müßten „Angriffsflüge“ aus Incirlik unterbinden. Die US-Attacken auf irakische Abwehrstellungen seien Notwehr, stellte Ministerpräsident Bülent Ecevit fest.

Fürsprache bei der EU

Washington dankt den Türken die treue Unterstützung mit Fürsprache bei der zögernden Europäischen Union (EU) für eine türkische EU-Mitgliedschaft. Die Regierung in Washington wirbt außerdem im US-Kongreß für eine Lokkerung des Lieferverbots für Waffen, das wegen der Menschenrechtsverstöße in der Türkei verhängt wurde. Gelegentliche Irritationen haben die Zusammenarbeit bisher kaum behindert.

Das von den USA betriebene Kooperationsabkommen der beiden Kurdengruppen PUK und DPK im Nordirak stieß in der Türkei auf Kritik, weil es nach Auffassung Ankaras die territoriale Teilung des Nachbarlandes Irak festschreiben könnte. Bisher konnten sich PUK und DPK nicht über die Details ihrer Zusammenarbeit einigen; eine insgeheim geführte weitere Gesprächsrunde endete in der vergangenen Woche in Washington ergebnislos.

erarbeitet von Scheuerer, Karl