junge Welt 30.6.99

»Hände weg von Öcalan«
Hamburg: Spontandemonstration von 130 Kurden vor US-Konsulat

Nachdem das Todesurteil gegen Abdullah Öcalan bekannt wurde, versammelten sich am Dienstag in Hamburg spontan etwa 130 Kurdinnen und Kurden vor dem US-Konsulat. Die Polizei hatte das Konsulatsgelände an der Außenalster weiträumig abgesperrt. »Nein zur Todesstrafe, Zeit für den Frieden« war auf einem Transparent zu lesen. Parolen wie »USA - Hände weg von Öcalan« hallten über die Absperrung - ein Hinweis auf die Beteiligung des US- Geheimdienstes CIA an der Verschleppung Öcalans aus Nairobi. Anschließend zogen die mittlerweile mehr als 200 Demonstrierenden durch die Innenstadt - vorbei am Verlagsgebäude des Spiegel bis zur Einkaufszone Mönckebergstraße. Nach einer kurzen Sitzblockade in der Shoppingmeile löste sich der Protestzug gegen 13 Uhr auf, um sich zwei Minuten später auf dem Rathausmarkt wieder zu treffen. Mitten in der Bannmeile. Doch ganz so überraschend kam das für die Polizei nicht: Beamte waren vorsorglich zur Tat geschritten und hatten die Eingangstür zum altehrwürdigen Hamburger Rathaus von innen verriegelt. Flugs wurden die Demonstrantinnen von Uniformierten - darunter ein vermummter Festnahmetrupp - eingekesselt. Einen Moment lang schien die Situation zu eskalieren. Mehrfach forderte die Polizei über Megaphon dazu auf, die Bannmeile zu verlassen. Am Rande des Geschehens zeigte sich Antje Möller, Fraktionssprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion. Gegenüber der jungen Welt äußerte sie, man müsse die Kurden bitten zu gehen. Um sogleich die Verantwortung für eine mögliche gewaltsame Räumung des Platzes auf sie abzuwälzen. Denn: »Die reizen das zu sehr aus.« Doch weder die Polizei noch die Kurden machten irgendwelche Anstalten, sich zu prügeln. Nach einer Weile zogen die Demonstrantinnen friedlich weiter - von der Polizei mit großem Aufgebot begleitet. Auf dem Gänsemarkt gesellte sich dann auch Susanne Uhl, ehemalige GAL-Bürgerschaftsabgeordnete, inzwischen Regenbogen-Gruppe, dazu. Von der jungen Welt zu dem verhängten Todesurteil befragt, äußerte sie, die Regenbogen- Gruppe habe sich bereits im Vorfeld vehement dagegen ausgesprochen. Die Gruppe sei natürlich generell gegen die Todesstrafe. In bezug auf den Konflikt zwischen dem türkischen Regime und der PKK sei ganz klar, daß die Verurteilung Abdullah Öcalans gegen einen möglichen Friedensprozeß gerichtet sei. Auf keinen Fall dürfe es passieren, so die Abgeordnete weiter, »daß mögliche Protestaktionen von der Hamburger Justiz noch einmal mit einer Abschiebewelle beantwortet werden.« Die Demonstration dauerte bis zum Redaktionsschluß an. Weitere Protestaktionen sind für die nächsten Tage angekündigt. 
Jörg Hilbert/Birgit Gärtner, Hamburg