Die Presse, Wien 9.8.99

Todesstrafe für Öcalan beantragt

Die Hinrichtung ihres Führers käme einem Selbstmord des türkischen Staates gleich, droht die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK.

ANKARA (reuters). Am sechsten Verhandlungstag im Hochverratsprozeß gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali hat die Staatsanwaltschaft - erwartungsgemäß - die Todesstrafe beantragt. Die PKK hat im Falle einer Hinrichtung Öcalans mit neuen Anschlägen gedroht. Eine derartige Entscheidung würde den Selbstmord für die Türkei bedeuten, erklärte der Militärrat der PKK. Das kurdische Volk werde dann von seinem legitimen Recht Gebrauch machen, seine nationale Ehre zu verteidigen, hieß es in dem Anfang der Woche veröffentlichten Papier. Staatsanwalt Cevdet Volkan stützte sich mit seinem Strafantrag am Dienstagvormittag auf Artikel 125 des türkischen Strafgesetzbuches, der für Versuche zur Teilung des türkischen Staatsgebietes und zur Errichtung eines anderen Staates auf türkischem Boden zwingend die Todesstrafe vorschreibt. Auf Antrag der Verteidigung wurde das Verfahren nach dem Plädoyer Volkans bis 23. Juni unterbrochen, um den Verteidigern ausreichend Zeit zur Vorbereitung ihres eigenen Schlußvortrages zu geben. Unterdessen wurde in der türkischen Presse spekuliert, daß das erwartete Todesurteil gegen Öcalan "wegen guter Führung" vom Gericht ausgesetzt und in lebenslange Haft umgewandelt werden könnte. Mit dem Urteil wird noch im Juni gerechnet. Der 50jährige, der am 15. Februar vom Geheimdienst in Kenia gefangengenommen und in die Türkei verschleppt worden war, hatte in den bisherigen Prozeßtagen die Verantwortung für die Gewalttaten der von ihm gegründeten und geführten Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) übernommen und zu Auslandsverbindungen der marxistischen Organisation ausgesagt.