Hannoversche Allgemeine Politik 21.5.1999

Öcalan-Anwalt: Keine unabhängige Justiz

"Nach diesen Todesurteilen ist klar, daß Öcalan nicht auf ein milderes Urteil hoffen kann", meint Hans-Eberhard Schultz.
"Dabei haben die ja noch alles auf ihre Vorgesetzten geschoben." Der Bremer Rechtsanwalt ist der deutsche Verteidiger des inhaftierten PKK-Chefs - einer von mehr als 100 Anwälten, die für Öcalan weltweit tätig sind. Schon 1990 hat Schultz den Kurdenführer in Libyen persönlich kennengelernt, seither mehrere PKK-Aktivisten vor deutschen Gerichten vertreten. Seinen Mandanten Öcalan hat er zuletzt im Januar in Rom gesehen. Vergeblich hat der Anwalt immer wieder beantragt, Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali besuchen zu können.
"Wenn einer von drei Richtern vom Militär gestellt wird, kann von unabhängiger Justiz nicht die Rede sein", sagt Schultz.
Öcalan bisher zudem kein unüberwachtes Gespräch mit seinen Verteidigern führen können. Mehr als bedenklich ist aus Sicht von Schulz auch die öffentliche Vorverurteilung. Als "Babykiller" sei Öcalan von offizieller Seite bezeichnet worden.
Dabei habe sich der PKK-Chef um eine friedliche Lösungen bemüht, schon 1993 keinen eigenständigen Kurdenstaat mehr gefordert, dreimal einen einseitigen Waffenstillstand verkündet. "Die PKK", sagt Anwalt Schultz, greift heute nur zu den Waffen, wenn sie angegriffen wird." Ein Todesurteil gegen Öcalan werde dagegen eine Eskalation nach sich ziehen. "Dann besteht die Gefahr, daß jene jugendlichen Hitzköpfe unter den Kurden die Oberhand gewinnen, die immer schon den Friedenskurs Öcalans abgelehnt haben."
Th., Bremen