ap 05.05.1999 15:00

Anwälte Öcalans drohen mit Mandatsniederlegung

Behörden schwere Verstöße gegen Rechte der Verteidigung vorgeworfen Istanbul (AP)
Die Anwälte des in der Türkei inhaftierten kurdischen Rebellenführers Abdullah Öcalan haben mit der Niederlegung ihres Mandats gedroht, wenn die Bedingungen für die Verteidigung nicht verbessert würden. Auf einer Pressekonferenz in Istanbul warf Öcalans Hauptverteidiger Ahmet Zeki Okcuoglu den türkischen Behörden am Mittwoch schwere Verstöße gegen die Rechte der Verteidigung vor. «Wir wollen aufgeben, aber wir haben beschlossen, unsere Entscheidung noch zu vertagen. Wenn aber nichts geschieht, werden wir den Fall niederlegen», sagte Okcuoglu, der bereits einmal kurz nach der Inhaftierung Öcalans auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer sein Mandat wegen Bedrohung seiner Person niedergelegt hatte.
Okcuoglu verlangte, daß die Verteidiger unbeaufsichtigt mit ihrem Mandanten reden dürfen und daß die Gefängnisbehörden nicht mehr deren Aufzeichnungen und Akten lesen. Weiter forderte der Anwalt Schutz vor Ansammlungen türkischer Nationalisten, die die Verteidiger Öcalans in der Öffentlichkeit des öfteren körperlich und verbal bedroht hatten. Außerdem müsse damit Schluß sein, daß die Behörden mit gezielten Indiskretionen die Medien vorab informieren. So sei den türkischen Medien die 139 Seiten starke Anklageschrift gegen Öcalan zwei Tage früher zugespielt worden, als die Verteidigung Einblick erhalten habe. Die Rechte der Verteidigung seien seit dem Militärputsch von 1980 nicht mehr so sehr mit Füßen getreten worden, wie im Fall des Vorsitzenden der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), sagte Okcuoglu.
Öcalan ist als Führer der kurdischen Aufständischen in der Osttürkei wegen Hoch- und Landesverrats sowie separatistischer Umtriebe angeklägt. Ihm droht im Verurteilungsfall die Todesstrafe. Trotz internationalen Drucks auf die türkische Justiz, dem Angeklagten ein faires Verfahren zu garantieren, haben Menschenrechtsorganisationen bereits wiederholt die Verletzung der Verteidigerrechte im Fall Öcalan kritisiert.