Hamburger Abendblatt 1.4.99

Öcalan bleibt isoliert
Anwälte: Kein Zutritt zum PKK-Chef

Berlin - Jederzeit, das hat die türkische Regierung gerade wieder erklärt, hätten die Anwälte Zutritt zu Abdullah Öcalan. Die Wirklichkeit sieht freilich anders aus. Osman Baydemir zum Beispiel wurde die Zufahrt zur Gefängnisinsel Imrali verwehrt, und auch Eren Keskin hat ihren Mandanten seit seiner Verhaftung noch nicht persönlich gesehen.
Die beiden Juristen - zwei aus dem insgesamt 16köpfigen Verteidigungs-Kollektiv des PKK-Führers - halten sich zur Zeit in Berlin auf, wo sie an einer internationalen Tagung teilnehmen, die sich während der Ostertage mit dem Schicksal politischer Gefangener beschäftigen will.
Beide sind Kurden, beide sind Mitglied der türkischen Menschenrechtsvereinigung „Insan Haklar Denergi“, und beide haben die Macht des Staates schon zu spüren bekommen. Eren Keskin wurde 1995 zu einer 13monatigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt, weil sie im linksgerichteten Magazin „Medya Günesi“ zur Kurdenfrage Stellung genommen hatte, Baydemir hat man Ende Februar wegen eines Vortrags zur Kurdenfrage festgenommen. Anklage wurde keine erhoben.
Baydemir war einer von 3369 Bürgern, die allein in der ersten Woche nach Öcalans Entführung aus Kenia in der Türkei festgenommen wurden.
Die türkische Regierung beteuert seitdem zwar immer wieder, daß Abdullah Öcalan einen fairen Prozeß erhalten werde, aber diese Verhaftungswelle hat nicht gerade dazu beigetragen, das internationale Mißtrauen zu schmälern. Gewachsen ist die Sorge noch, seit Ministerpräsident Bülent Ecevit Anfang dieser Woche mitgeteilt hat, die Türkei werde - entgegen allen früheren Erklärungen - nun doch keine internationalen Beobachter bei diesem brisanten Verfahren zulassen. Dem wegen Hochverrats angeklagten Führer der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) droht immerhin die Todesstrafe.
Die Prozeßeröffnung soll nun Ende April stattfinden, also nach den Parlamentswahlen.  Osman Baydemir und Eren Kesdin halten es für rechtswidrig, daß Abdullah Öcalan so lange in Isolationshaft gehalten wird. Darauf haben sie anläßlich ihres Berlin-Besuchs am Mitwoch nachdrücklich hingewiesen.
Öcalan dürfe in seinem Gefängnis weder fernsehen, noch habe er Zugang zu Zeitungen oder Zeitschriften. Morgen, so Baydemir, werde ein Kollege versuchen, wenigstens ein Radio genehmigen zu lassen. Viel Hoffnung, daß das gelinge, habe man allerdings nicht.   (BaM)