junge Welt 16.03.1999

»Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan«
Internationale Prominenteninitiative begann Kampagne

Auf einer Pressekonferenz am vergangenen Wochenende in Bonn erläuterten Danielle Mitterrand, Uri Avnery und Norman Paech, drei Erstunterzeichner einer von internationaler Prominenz getragenen Initiative »Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan« Hintergrund und Ziele einer breit angelegten Kampagne, die in zahlreichen Ländern durchgeführt werden soll. Die Türkei, so heißt es in dem in Bonn verbreiteten Appell, müsse sofort ihre militärischen Operationen in den kurdischen Gebieten einstellen und in einen Dialog mit der kurdischen Seite eintreten. In dem Aufruf, der von Nobelpreisträgern, Politikern, Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern unterschrieben ist, werden nochmals die seit einiger Zeit immer wieder vorgebrachten Forderungen nach Einberufung einer internationalen Kurdistankonferenz und der Beendigung des Krieges betont. Scharfe Kritik üben die Unterzeichner an dem Vorgehen der europäischen Regierungen. Entgegen dem Entscheid der italienischen Justiz und den Aufrufen und Appellen internationaler Menschenrechtsorganisationen, die sich anläßlich der Ankunft von Öcalan in Rom gegen dessen Auslieferung an die Türkei aussprachen, sei der PKK- Vorsitzende schließlich unter Zwang entführt und in die Gewalt des Staates übergeben worden, der bei Folterungen und Menschenrechtsverletzungen international an der Spitze stehe.
Vor einem türkischen Gericht sei kein faires Verfahren denkbar, denn »der Kurdenführer wurde den Militärs und den Politikern in der Türkei übergeben«, so der Aufruf weiter, »die für den Krieg in den kurdischen Gebieten und dessen Folgen verantwortlich sind: für die Vernichtung von 4 000 kurdischen Dörfern, für die unzähligen Toten und die über drei Millionen Vertriebenen und Flüchtlinge«.
Das Urteil der Initiative zu dem von vielen beklagten »Abtauchen« Europas in der zurückliegenden Zeit fällt vernichtend aus: »Die europäischen Regierungen haben bisher vollständig versagt, zur Beendigung des Krieges in der Türkei und zur Lösung der kurdischen Frage eine konstruktive Initiative zu ergreifen. Während sie alle diplomatischen Hebel in Bewegung gesetzt haben, um den Palästinensern in Madrid, den Bosniern in Dayton und den Kosovo-Albanern in Rambouillet eine politische und friedliche Lösung ihrer Konflikte zu ermöglichen, warten wir seit 15 Jahren vergeblich auf eine ähnliche Initiative für die Kurden.« Dennoch bestehe auch weiterhin die Chance, einer politischen Lösung den Weg zu ebnen. An die Staatengemeinschaft und ihre Institutionen ergeht in diesem Zusammenhang der Appell, eine internationale Beobachterdelegation in die Türkei zu entsenden. Wichtig sei auch eine Gewährung der Sicherheit und Unversehrtheit Abdullah Öcalans, der »als Schlüsselperson in der anzustrebenden politischen Lösung des Krieges um Kurdistan angesehen und entsprechend behandelt« werden müsse. Und nicht zuletzt wird die Türkei aufgefordert, den Krieg zu beenden und endlich einen Dialog zu starten.
Zu den Erstunterzeichnern dieser Initiative gehören, neben den bei der Pressekonferenz in Erscheinung getretenen, eine Reihe international bekannter Personen, u. a. Prof. Elmar Altvater, die britischen Politiker Lord Avebury und Tony Benn, der italienische Regisseur Dario Fo und die Rocksängerin Gianna Nannini, der osttimoresische Friedensnobelpreisträger José Ramos Horta, der portugiesische Literaturnobelpreisträger Jose Saramango und der Schweizer Publizist Jean Ziegler.
Thomas W. Klein