Pressemitteilung Nr. 50
(31.10.1999)

Izmir: Der Vertreter der Zeitung "Azadiye Welat", Davut Özalp wurde wegen eines Artikels "Kugeln für Waffen" zu einem Monat Gefängnisstrafe verurteilt. Die ebenfalls angeklagte Songul Sever wurde freigesprochen, wenn sie innerhalb von 5 Jahren keine andere Straftat begeht. (ÖP 27.9.)

Izmir: Von dem am 22. September von Mus wegen einer medizinischen Untersuchung von Soldaten mitgenommenen PKK-Gefangenen Sani Bahadir fehlt jede Information, wohin man ihn gebracht hat. Seit 2 Jahren befindet er sich im Gefängnis, der Bruder fürchtet um das Leben von Sani Bahadir. Er wandte sich an den IHD Izmir und gab an, daß sein Bruder vor einem Jahr bei Angriffen von Gefängniswärtern Kopfverletzungen erlitten hatte. Nach den Angriffen lag er einige Zeit im Krankenhaus. Danach wurde ihm jegliche medizinische Versorgung verweigert. Er sollte nach Elazig gebracht werden. (ÖP 27.9.)

Erdbeben-Helfer wurden in Polizeigewahrsam gefoltert

Neun Personen, die von Istanbul aus nach Gölcük in der Provinz Kocaeli gereist waren, um den Erdbebenopfern vor Ort zu helfen, wurden von der Polizei wegen des Vorwurfs, ohne Genehmigung Hilfsgüter verteilt zu haben, festgenommen. Nach ihrer Freilassung erklärten sie Journalisten gegenüber, daß sie in Polizeigewahrsam gefoltert worden seien. Auf einer Pressekonferenz im Istanbul-Büro des Türkischen Menschenrechtsvereins (IHD) erklärten Selcan Dag, Türkan Özdek, Erdogan Özdek (15) und Senol Özdek (14), sie seien am 2. Oktober in Gölcük festgenommen worden. Als die Polizisten erfahren hätten, daß es sich bei ihnen um Aleviten aus dem Gaziosmanpasa-Viertel in Istanbul handele, wären sie ins Polizeipräsidium von Izmir gebracht worden. Frau Senol Özdek erklärte: "Sie zogen mich an den Haaren und warfen mich in eine Zelle. Ein Polizist sagte mir, daß dort die Menschen gefoltert würden, und erklärte weiter: `Du befindest Dich hier in der Erdbeben-Region. Wir können dich umbringen und Deine Leiche dann unter ein eingestürztes Haus legen. Ich bekam Elektroschocks auf Ohrläppchen und Fingerspitzen. Dann wurde ich nackt ausgezogen und mit eiskaltem Wasser abgespritzt. Sie zogen mir einen Plastikbeutel über den Kopf, so daß ich kaum atmen konnte. Diese Prozedur dauerte etwa zehn Stunden." Frau Dag berichtete auch davon, daß sie und ihre Freunde sexuell mißbraucht und den beiden Jungen die Hoden gequetscht wurden. Da die Zellentüren offenstanden, konnte und mußte jeder des anderen Folter mitansehen. Am gleichen Tag wurden sie dann zum Gerichtsgebäude gebracht. Weil weder Staatsanwalt noch Richter zugegen waren, wurden die Festgenommenen wieder freigelassen, ohne vor Gericht gestanden zu haben. (Radikal, Özgür Bakis, 7.10.99)

Türkischer Journalistenverein veröffentlichte September-Bericht über die Pressefreiheit

Am 8. Oktober veröffentlichte der Türkische Journalistenverein TGC seinen Septemberbericht über die Situation bezüglich des Rechtes auf freie Meinungsäußerung in der Türkei sowie weitere presserelevante Fragestellungen. Der Bericht beschäftigte sich mit dem Gesetz zur Aussetzung von Haftstrafen wegen sog. 'Pressedelikte' (siehe WID Nr. 32 vom 2.9.99) und listete u.a. folgende Fälle staatlicher Unterdrückung und Schikanen der Medien auf:

Der Generaldirektor eines Radio-Senders wurde verhaftet; zwei Radiosprecher wurden in Polizeigewahrsam genommen. Ein Journalist wurde zusammengeschlagen, zwei weitere wurden überfallen, ein weiterer als Geisel genommen. Ein Parlamentsabgeordneter verklagte zwei Zeitungen wegen Verleumdung auf insgesamt 15 Milliarden türkische Lira (TL) Schmerzensgeld. Ein weiterer Abgeordneter erhob eine Anklage gegen neun Journalisten. Ein Journalist wurde dazu verurteilt, 2 Milliarden TL Schadenersatz an Tansu Ciller, Chefin der Partei des Rechten Weges (DYP), zu zahlen. Der Gesetzentwurf zur Neugestaltung der türkischen Überwachungsbehörde für Radio und Fernsehen (RTÜK) wurde allen betroffenen Behörden zugestellt. Der Gesetzentwurf sieht vor, daß der Präsident die RTÜK-Mitglieder ernennt. Provinzgouverneure und Kreisbeamte werden bevollmächtigt, regionale Fernsehsendungen zu verbieten. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof sprach die Türkei in einem Fall für schuldig, das Recht auf freie Meinungsäußerung unterdrückt zu haben und verurteilte die Türkei zu einer Geldstrafe. (Turkish Daily News, 12.10.99)

Prokurdische Zeitschrift "Deng" wurde beschlagnahmt

Am 6. Oktober wurde die Ausgabe Nr. 53 der in Istanbul erscheinenden prokurdischen Monatszeitschrift "Deng"(Stimme) aufgrund eines Beschlusses der 4. Kammer des Staatsicherheitsgerichts in Istanbul beschlagnahmt. Zur Begründung wurden zwei in der Ausgabe veröffentlichte Artikel angeführt, u.a. der Beitrag des Generalsekretärs der Sozialistischen Partei Kurdistans (PSK), Kemal Burkay, mit dem Titel "25 Jahre: ein nachhaltiger und kontinuierlicher politischer Kampf" und ein Artikel von Ibrahim Metin mit der Überschrift: "Ein Regime, das ständig Krisen erzeugt, ist nicht in der Lage, Probleme zu lösen oder Stabilität zu erlangen". Mit Hinweis auf 312, Art. 2 des türkischen Strafgesetzbuchs beschuldigte der Staatsanwalt die Verfasser der beiden Artikel, durch ihre Behauptung, es gäbe ein kurdisches Volk, gegen die "Unteilbarkeit des Staates" verstoßen zu haben.(Presseerklärung der Redakteure von "Deng", 13.10.99)

Adana: Metin Bulut, Mitarbeiter der Azadiye Welat und zwei weitere Personen wurden von der Polizei festgenommen. Nach Rücksprache des IHD Adana mit dem Polizeipräsidium wurde zugegeben, daß sie verhaftet und nach Iskenderun gebracht wurden. (ÖP 19.10.)

Mus: Nach Angaben des Supergouverneurs hat es in der zu Mus gehörenden Region "Karlidere" Auseinandersetzungen zwischen der ARGK und der türkischen Armee gegeben, dabei sind 2 Kämpfer der ARGK ums Leben gekommen. Die Operationen gehen in der Region weiter. (ÖP 20.10.)

Bitlis: 36 Gefangene im Bitlis -Typ-E-Gefängnis haben gegen die Haftbedingungen einen Hungerstreik begonnen. (ÖP 20.10.)

Diyarbakir: 7 Dörfer in Silvan wurden vom Militär überfallen. Nach Angaben eines Kronzeugen haben die Einheiten des Militärs am 15.10. Kanandag, Girblok, Görbül, Avanek, Hecires, Kirantepe, Eskrocak überfallen. Bei dem Überfall wurden 30 Dorfbewohner festgenommen. Die Festgenommenen wurden bei der Gendarmerie während der Verhöre in Silvan schwer gefoltert. Danach wurden die Festgenommenen von Militäreinheiten nach Diyarbakir gebracht. Die Namen: E. Ihsan, Zeki Kara, Ayhan Bozkurt, Aziz Kartan, Salih Celebi, Zabit Odunan, Halit Arsimed, Feyzi Arsimed, Mecid Gündiriz, Nihat Gündüz, Mesut Gündüz, Febzi Alinak, Mehmet Serif, Sehmus Bag, Süleyman Ihsan und Sebih.(ÖP 20.10.)

Mardin: Das Hadep-Büro in Nusaybin wurde von Polizeieinheiten überfallen. Sämtliche Dokumente, Bücher und Akten wurden beschlagnahmt. (ÖP 21.10.)

Diyarbakir: In dem zu Diyarbakir-Baglar gehörenden Stadtteil Kaynartepe hat die Polizei am 19.10. um 22.00 Uhr eine Wohnung gestürmt. Sie haben die Wohnung durchsucht und dabei Hikmet Yün (18), der sich in der Wohnung aufhielt, zusammengeschlagen und festgenommen. Die Mutter von Hikmet Yün versuchte, sich gegen diese Vorgehensweise zu wehren. Nach Auseinandersetzungen zwischen der Mutter und der Polizei wurde auch die Mutter mit Gewalt in ein Auto gesteckt und weggefahren. (ÖP 21.10.)

Adana: Die gegen Ramazan Cengiz laufenden Verfahren wurden vertagt. Ihm wird vorgeworfen, daß er im Namen der PKK 1991 in Adana-Ceyhan Aktionen vorbereitet und durchgeführt hat. Von der Staatsanwaltschaft wird die Todesstrafe gefordert. (ÖP 24.10.)

Izmir: Dr. Zeki Uzun vom TIHV (türkische Menschenrechtsstiftung) wird seit 4 Tagen in Untersuchungshaft festgehalten. Sie ist zuständig bei der Stiftung für Frauen, ihre Wohnung vin Balcova wurde von Zivilpolizisten überfallen und durchsucht, anschließend ihre Praxis. Die Polizei gab an, daß sie noch viele Zeugen anhören müsse, bevor Dr. Zeki Uzun freigelassen oder in Haft genommen würde. (ÖP 24.10.)

Mersin: Das von der Hadep vorbereitete Fest "Frieden und Bürderlichkeit" wurde von den zuständigen Behörden verboten. (ÖP 24.10.)

Adana: 5 Personen aus der Adana-Kücükdikili-Gemeinde wurden wegen Besitzes der Zeitschrift "Özgür Halk" und einer "alten türkischen Fahne" verhaftet. Sie wurden nach Seyhan gebracht, verhört und gefoltert. Sie wurden während des Verhörs mit Elektroschocks, auf Eis legen und einzelner Haare ausziehend, gefoltert. Ein Betroffener, Emin Erin sagte nach der Folter: "Wir wurden gefoltert. Sie haben meinen Beine und Arme unter Strom gesetzt. Die Folternden waren mit Militäranzügen angezogen. In dem Moment, als sie mich folterten, habe ich eine Person gesehen, die ich vorher gesprochen haben und den ich als Alaadin kannte. Er war immer anwesend. Er hat mich auch gefoltert. Er bat mir Geld an, wenn ich mich an ihren Aktionen beteiligen würde. Er hat mir ein Angebot als Agent gemacht". Hasan Günes (ein Tee-Kellner) erzählte: Sie haben mir gesagt, du bist ein PKK'ler, worauf ich sagte, ich bin kein PKK'ler. Sie haben mich als Vaterlandsverräter bezeichnet, weil ich bei der Gemeinde arbeite. Vorher glaubte ich nicht an Folter, jetzt bin ich überzeugt, daß Menschen während der Verhöre gefoltert werden. Sie haben mir gedroht, nicht mehr bei der Gemeinde zu arbeiten zu dürfen." Bekir Emen erzählte über seine Folterung, wie er auf Eis gelegt wurde, wie der "Palästinenser-Haken an ihm ausgeführt wurde und wie ihm seine Haare einzeln herausgerissen wurden. "Ich kann nach der Folter nicht mehr laufen und auf meinen Füßen stehen". (ÖP 24.10.)

Istanbul: Die Polizei hat am 24.10. im Stadtteil Esenyurt eine Wohnung und ein Geschäft überfallen. Teyfik Özkan und Levent Yaman wurden festgenommen. Die Brüder der beiden wurden ebenfalls von der Polizei mitgenommen. (ÖP 25.10.)

Igdir: 3 Menschen wurden an der Grenze zwischen Igdir und Dilicu von den Behörden aus Nachviwan an die türkischen Behörden übergeben. Ihnen wurde vorgeworfen, daß sie in Camps in Moskaw, Almata und Eriwan politische und militärische Ausbildungen geleitet haben. Die festgenommenen Ferzande Mirzei aus der russischen Föderation, Kerem Menedov aus Kasachistan und Tahir Asirov aus Asserbeican. Sie wurden in der zu Igdir gehörenden Kreisstadt Aralik vor Gericht gestellt, in Haft genommen und ins Gefängnis verbracht. (ÖP 27.10.)

In Mus, Bingöl, Urfa, Van, Gaziantep sind viele Menschen wegen Unterstützung der PKK festgenommen worden

Mus-Varto: In den zu Varto gehörenden Dörfern Yaralisu, Karapinar, Yesuilpinar, Saligöc, Goma Han, Dalliöz, Kunaf und Icmeler sind am 22.10. bei Überfällen durch das Militär 40 Menschen festgenommen worden. Der IHD-Vorsitzende von Mus hat sich eingeschaltet und erfahren, daß die Menschen bei der Gendarmerie festgehalten werden. Die Namen, die bis jetzt festgestellt werden konnten: Halis, Burhan Kirmizipul, Celik Aktas, Sabri und Cavit Kaya, Muhtar Alaattin, Apak, Selmen Aktar, Giyasettin Apak, Abdullah Yalein, Adil und Abdullah Akkoyun, Abdurahman, Mirzan Gökalp, Kutbetin, Muhyetin und Cabar Günes, Cemil Ozan, Mehmut Bingölk Metin Kosar, Abdurahman Gökalp, Selman Aktar, Alcatin Giyasetin Apak, Halis Han und Ali Kemal Dogan. Außerdem haben die Soldaten die Dorfbewohner aus Kunaf auf den Dorfplatz getrieben und geschlagen. Die Zufahrtswege wurden durch das Militär gesperrt. (ÖP 27.10.)

Bingöl: 17 Menschen wurden festgenommen, davon wurden 5 durch die Staatsanwaltschaft freigelassen. Die anderen 12 Menschen befinden sich noch immer in der Gendarmerie. Unter den Festgenommenen Genc, Osman Yilmaz, Abdullah Özen und einer, dessen Namen nicht bekannt ist, wurden während der Verhöre schwer gefoltert. Nach der Freilassung von Ramazan Genc hat dieser sich in ein Krankenhaus begeben, um sich untersuchen zu lassen. Die Ärzte haben ihm kein Attest ausgestellt, daß er gefoltert worden ist. (ÖP 27.10.)

Urfa: Im Staddteil Sirrin in Urfa wurden folgende Personen festgenommen: Savas Aslan, Ramazan, Serkan Bakir, Abdulkadir Ciftci, Mehmet Salih Ektiner, Mustafa Demir, Baki Aslan, Dilber Izol, Sidik Izol, Elif Aslan, Halil Bereket, Salih Akkus, Fefhi Ötunc, Naile Turkdogan, Yakup Celik und Mehmet Demir. Sie wurden der Staatsanwaltschaft überstellt. Salih Ektiren, Serkan Bakir, Abdulkadir Ciftci, Ramazan Dede, Mustafa Demir, Elif Aslan, Mehmet Demir, Savas Aslan, Fefhi Ötunc und Naile Turkdogan wurden in Haft genommen.

Van: Am Abend des 25.10. haben Polizeieinzeiten im Stadtteil Hacibelar eine Wohnung überfallen und Dervis Askan festgenommen.

Gaziantep: In den zu Antep gehörenden Dörfern Sehikkamil und Tekirsin wurden von Militäreinheiten überfallen, dabei wurden Halil Cikan, Mustafa Balibay festgenommen. (ÖP 27.10.)

Haft für PKK-,Friedensgruppe'? ISTANBUL (dpa). Die türkische Staatsanwaltschaft in Van will für die PKK-" Friedensgruppe", die sich Anfang Oktober den türkischen Behörden gestellt hat, insgesamt 120 Jahre Gefängnis beantragen. Dies berichtete die türkische Zeitung Milliyet unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft des Staatssicherheitsgerichtes in Van. Den acht Mitgliedern der Gruppe werde unter anderem die Führung einer bewaffneten Bande vorgeworfen. (Frankfurter Rundschau 27.10.)

Die Informationen wurden aus verschiedenen Zeitungen zusammengestellt. Auf Wunsch können wir die Belegausschnitte aus den Zeitungen per Kopie zur Verfügung stellen. Nicht direkt gekennzeichnete Artikel stammen aus Mitteilungen, die wir ebenfalls auf Wunsch zur Verfügung stellen können. (Ö.P = Özgür Politika, Özgür Bakis, IMK, Frankfurter Rundschau)