taz Berlin 16.6.1999

Kurzer Prozeß gegen Kurden

Heute steht zum ersten Mal ein Erwachsener wegen der Vorfälle am israelischen Konsulat vor Gericht. Die Anklage lautet auf besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs

Heute muß sich erstmals vor einer Großen Strafkammer des Landgerichts ein Kurde verantworten, der an den Ausschreitungen vor dem israelischen Generalkonsulat am 17. Februar beteiligt gewesen sein soll. Der 34jährige Mehmet K., der seit 1978 in Deutschland lebt, soll einen Polizisten mit einer Baugerüststange angegriffen und verletzt haben. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war es ihm dabei bewußt, daß er lebensgefährliche Verletzungen herbeiführen kann. Daher lautet die Anklage auf besonders schweren Fall von Landfriedensbruch. Für die Verhandlung ist nur ein Tag angesetzt.

Mehmet K. erhielt bereits vor einigen Wochen einen Ausweisungsbescheid. Solche Bescheide liegen nach Angaben der Innenverwaltung bereits gegen ein Dutzend Kurden vor. Mehrere Anwälte haben angekündigt, dagegen Widerspruch einzulegen. Für mehr Aufklärung will auch das "Solidaritätskomitee für die kurdischen politischen Gefangenen in Berlin" sorgen, das heute die Presse über "die tatsächlichen Hintergründe" informieren will.

Der heutige Prozeß bildet den Auftakt einer ganzen Reihe von Verfahren gegen mutmaßliche kurdische Gewalttäter. An den Ausschreitungen am israelischen Konsulat hatten sich etwa 100 bis 120 Kurden beteiligt. Bei der Erstürmung des Gebäudes waren vier Kurden von israelischen Sicherheitsleuten erschossen worden. Nach Angaben des Solidaritätskomitees wurden 229 Kurden festgenommen, gegen 140 seien Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Die Justiz macht zu den Verfahren nur vage Angaben. Justizsprecherin Michaela Blume spricht zwar von insgesamt 16 Anklagen, weiteren 8 Verfahren und "etwa 13 Kurden" in Untersuchungshaft. Diese Zahlen stammen jedoch von Mitte Mai. Aktuellere Angaben seien aufgrund des "hohen organisatorischem Aufwands" nicht möglich.

Bisher gab es bereits zwei Verhandlungen vor Jugendschöffengerichten. Doch die Grundannahme der Staatsanwaltschaft, daß die Aktion gemeinsam und geplant durchgeführt worden sei, hat sich zumindest im ersten Verfahren als nicht haltbar erwiesen. Der Anklage wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte folgte lediglich eine Verurteilung zu vier Wochen Dauerarrest wegen einfachen Hausfriedensbruchs.

Während die Ermittlungen gegen die Kurden auf Hochtouren laufen, ist noch immer unklar, ob die Staatsanwaltschaft die beiden israelischen Todesschützen erneut vernimmt. Das Auswärtige Amt kann nach Angaben eines Sprechers möglicherweise schon Ende dieser Woche der Berliner Justiz mitteilen, ob es Chancen für eine Aufhebung der Immunität der beiden Schützen sieht. Selbst dann könnten die Sicherheitsbeamten aber straffrei ausgehen, wenn sie die Grenzen der Notwehr "aus Verwirrung, Furcht oder Schrekken" überschritten haben, so Paragraph 33 des Strafgesetzbuchs.

Heute findet im Abgeordnetenhaus erneut ein informelles Treffen zwischen der israelischen Generalkonsulin Miryam Shomrat und den beiden kurdischstämmigen Parlamentariern Riza Baran (Grüne) und Giyasettin Sayan (PDS) statt.

B. Bollwahn de Paez Casanova