Berliner Zeitung 9.6.99

Der Polizei-Coup

Von Jens Stiller
Der Innensenator hat gleich zweimal zugelangt: Er verlängerte die Amtszeit des Polizeipräsidenten, der wegen seiner laxen Haltung beim Schutz des israelischen Konsulats schon kurz vor der Ablösung stand. Und er droht mehreren kurdischen Demonstranten, die vor dem Konsulat randaliert haben sollen, mit der Ausweisung aus Deutschland. Er tut dies, bevor deren Prozesse überhaupt begonnen haben – oder klar ist, wer zur Eskalation vor dem Konsulat wie beigetragen hat. Beide Entscheidungen sind Teil einer durchsichtigen Strategie, die jede Verantwortung deutscher (und israelischer) Behörden für die Schüsse am Konsulat verneint und einzig die Kurden als Auslöser der Eskalation nennt.

Mit der Verlängerung der Amtszeit des Polizeipräsidenten landet Werthebach dabei einen echten Coup. Der Polizei-Chef, der so augenscheinlich versagt hat, ist aus dem Wahlkampf heraus, auch wenn der Koalitionspartner ganz dünn das Wort vom Koalitionsbruch piepst. Die SPD hatte seit den Schüssen vier Monate Zeit, um den Polizeipräsidenten zu kippen. Sie tat es nicht, weil sie den Bruch mit der CDU nicht wirklich will. Wer sollte im Oktober eine Partei wählen, die mit Momper einen unbeliebten Spitzenkandidaten, mit Rot-Grün in Bonn jede Menge Probleme und mit einem Koalitionsbruch in Berlin auch noch die Arbeit der letzten acht Jahre in Frage gestellt hat?

Ein Durchmarsch wird dem Innensenator in der Frage der Kurden dennoch nicht gelingen: Die von der Ausweisung bedrohten Demonstranten und Randalierer schwiegen bislang. Sie werden trotz des Ausweisungsgerassels ihre Aussagen vor Gericht machen. Ihre Prozesse werden zu einer Art zweitem Untersuchungsausschuß – auch wenn viele ihre Version nicht hören und glauben wollen.