taz Berlin. 2.6.1999

"Die Leute sind stinksauer"

Stimmung unter Kurden könnte kippen. Treffen zwischen Kurdischer Gemeinde und israelischem Konsulat geplant

Vor dem Hintergrund, daß das Verfahren wegen der tödlichen Schüsse am israelischen Generalkonsulat trotz der Zweifel an der Notwehrsituation der Israelis kurz vor der Beendigung steht, könnte die Stimmung unter den 50.000 Kurden in Berlin umkippen. "Ich kann nicht mehr garantieren, daß es friedlich bleibt", sagte gestern der ausländerpolitische Sprecher der PDS, Giyasettin Sayan, der selbst kurdischer Abstammung und Mitglied der Kurdischen Gemeinde ist.

Bei der Demonstration am Montag anläßlich des Prozeßbeginns gegen PKK-Chef Öcalan sei auch die bevorstehende Einstellung Thema gewesen. "Die Leute sind stinksauer", so Sayan. "Man darf das nicht nur juristisch, sondern muß das auch politisch sehen", forderte er. So dürften beispielsweise Kurden, die sich bereit erklärten auszusagen und sich dabei selbst belasteten, nicht abgeschoben werden.

Weiterhin bezeichnete Sayan die im Vorfeld der Demonstration von Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) angedrohten Abschiebungen bei Verstößen gegen das Rechtssystem als "Provokation". "Böse spielt mit den Muskeln", so Sayan, "das ist unfair gegenüber der kurdischen Community." Daß die Staatsanwaltschaft nicht vorhat, die israelischen Sicherheitsleute erneut zu vernehmen, wie es der Vorsitzende des parlamentarischen Untersuchungsausschusses Wolfgang Wieland (Grüne)fordert, führt Sayan auf "politische Feigheit vor dem Hintergrund der Vergangenheit" zurück. "Das können wir nicht hinnehmen", sagte er.

Nach Angaben des Vorstandsmitglieds der Kurdischen Gemeinde, Alper Baba, ist derzeit ein eigens gegründetes Komitee, das sich auch um inhaftierte Kurden kümmert, dabei, Aktivitäten zu planen. "Wenn, dann werden es demokratische Aktionen sein", betonte er. Parlamentspräsident Herwig Haase (CDU) bestätigte gestern gegenüber der taz, daß es noch im Juni ein Treffen zwischen Vertretern der Jüdischen Gemeinde, des griechischen und israelischen Generalkonsulats und der kurdischen Community geben soll.

B. Bollwahn de Paez Casanova