taz Berlin 19.3.99
Dokumentation
„Der Tod hätte verhindert werden können“
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Landowsky antwortet auf den offenen Brief von Riza Baran

Riza Baran kritisierte in seinem offfenen Brief die Rede Landowskys zu dem Blutbad vor dem israelischen Generalkonsulat, in der Landowsky die tote achtzehnjährige Sema Alp in einem Atemzug mit seiner Tochter genannt hatte.
„Sehr geehrter Herr Baran,
gerade weil mich der sinnlose Tod dieses jungen kurdischen Mädchens sehr betroffen macht, bin ich überrascht, daß Sie die Form eines offenen Briefes gewählt haben, der auch eine öffentliche Antwort verlangt.
Ich denke nicht, daß der tragische Tod der Sema Alp für propagandistische Zwecke eingesetzt werden sollte. Nach meinen christlichen Grundüberzeugungen sind alle Menschen in ihrer Würde gleichermaßen unantastbar.
Sie beschreiben die junge Kurdin als ein „eher zurückhaltendes Mädchen, das lieber bei seiner Mutter blieb, als aus dem Haus zu gehen“. Unbeschadet anderer Äußerungen ihrer Schwester war es um so unverantwortlicher, sie in die Gewaltaktion gegen das israelische Generalkonsulat hineinzuziehen!
Jedem erwachsenen Menschen ist klar, daß israelische Einrichtungen in besonderem Maße geschützt und verteidigt werden. Betrachtet man die Geschichte der Attentate gegen Israelis - von den Olympischen Spielen 1972 in München bis zum Überfall auf die ,Achille Lauro’ 1985 -, ist das auch verständlich. Der Tod dieses jungen kurdischen Mädchens hätte verhindert werden können, wenn die an der Aktion beteiligten Kurden ihren moralischen und rechtstaatlichen Pflichten nachgekommen wären.  Dies macht mich ebenso betroffen wie die Übergriffe gegen Kurden in der Türkei. Es ist unerläßlich, daß die in Deutschland lebenden Kurden ihren Söhnen und Töchtern vermitteln, was Rechtsstaat bedeutet. Deshalb bitte ich Sie als Abgeordneten, Herr Baran, Ihren Einfluß auf die in Berlin lebenden ehemaligen Landsleute mäßigend und im Sinne der Gewaltfreiheit einzusetzen.“
 

Kommentar
Krieg in der Hauptstadt
Vier Wochen nach den Ereignissen am israelischen Konsulat steckt die Staatsanwaltschaft noch in den Ermittlungen, die sich schwierig gestalten, unter anderem weil die Diplomatie gewahrt werden muß.  Besondere Betroffenheit hat der Tod der 18jährigen Sema Alp ausgelöst; am Mittwoch berichtete die Berliner Presse von einem offenen Brief Riza Barans, dem migrationspolitischen Sprecher der Grünen, an den CDU-Fraktionsvorsitzenden Landowsky, in dem er den Lebenslauf der jungen Frau schilderte und auf die Unterdrückung der Kurden in der Türkei hinwies.
Gestern hat Klaus Landowsky „offen“ geantwortet. Er weist darauf hin, daß „jedem erwachsenen Menschen klar ist“, daß israelische Einrichtungen „in besonderem Maße geschützt und verteidigt werden“, besonders wenn man an die Olympischen Spiele von München erinnert. Das, legt Landowsky nahe, hätten auch „erwachsene“ KurdInnen wissen und bedenken müssen.
Vermutlich ist den zuständigen Behörden nicht detailliert bekannt, wie Israel seine Einrichtungen im Ausland schützt. Aber daß es auf deutschem Boden nie wieder eine Geiselnahme israelischer Staatsbürger geben wird, jedenfalls, wenn israelische Sicherheitsleute dies verhindern können, müßte auch deutschen Politikern glasklar sein. Spätestens seit 1972, als die „fröhlichen Spiele von München“ im Blutbad von Fürstenfeldbruck endeten und zwölf israelische Sportler beim gescheiterten Befreiungsversuch starben. In Berlin sahen die israelischen Wachmänner die Chance gekommen, ihren Verteidigungsauftrag auszuführen. Und die Berliner Verantwortlichen haben ihnen die Möglichkeit gelassen.  Diesen politischen Skandal muß ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß klären.
Petra Groll