Berliner Zeitung 8.3.99

Kurden bestreiten Mordaufruf gegen israelischen Wachmann

Schüsse im Konsulat: Weigerten sich Polizisten, das Gelände zu betreten?
Kurdische Emigranten haben Berichte über einen Mordaufruf gegen einen israelischen Sicherheitsbeamten als falsch zurückgewiesen. Die Kurdenorganisation „Demokratische Emigranten Union“ erklärte am Wochenende, eine entsprechende Meldung der israelischen Zeitung „Jedioth Achronoth“ sei nicht wahr. Diese hatte berichtet, in kurdischen Kreisen kursiere das Foto eines Sicherheitsbeamten, der beim Sturm auf das Generalkonsulat geschossen hat. Dem Foto angeheftet sei die Erklärung, der Mann müsse für den Tod von vier Kurden „mit seinem Kopf“ bezahlen. Gleichlautende Äußerungen waren am Freitag bei der Trauerfeier für Sinan Karakus’ in Kreuzberg bekannt geworden. Augenzeugen berichteten, daß Fotos des israelichen Sicherheitsbeamten verteilt wurden. Polizisten bestätigten diese Information.
Der 26jährige Sinan Karakus war an den Folgen einer Schußverletzung gestorben. Am Sonnabend wurde seine Leiche in die Türkei überführt. Über zwei Wochen nach dem Sturm auf das Generalkonsulat dauert der Streit um die Ermittlungen an. Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) kündigte weitere Vernehmungen an, um Widerspüche aufzuklären. Israelische Diplomaten haben nach Presseberichten der Polizeiführung vorgeworfen, es seien nur die beiden israelischen Schützen befragt worden, nicht aber weitere Konsulatsangestellte . Zudem hätten sich deutsche Polizisten während des Sturms zweimal geweigert, das Konsulat zu betreten, um die Eindringlinge aufzuhalten.Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hat inzwischen eine leichtere Ausweisung für junge Aktivisten der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verlangt. An den Krawallen seien vor allem junge PKK-Mitglieder und -Sympathisanten beteiligt gewesen.
Zur Frage, inwieweit die Kurden durch die Polizei hätten gestoppt werden können, schreibt die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf unterrichtete Kreise: Zum Zeitpunkt des Angriffs hätten sich zwei Mitarbeiterinnen in einem Kellerraum des Konsulats verbarrikadiert. Dort hätten sie einen Notausgang geöffnet und Polizisten zugerufen, sie sollten in das Konsulat kommen und die Kurden aufhalten. Die Beamten hätten mit dem Hinweis abgewunken, sie seien nicht befugt, das Konsulatsgebäude eines fremden Staates zu betreten.
Ebenfalls nicht reagiert hätten die Berliner Polizisten auf eine gleichlautende Bitte des Vizekonsuls Rachmann. Dieser habe aus dem vorderen Fenster im Parterre, direkt neben dem gestürmten Haupteingang des Konsulats, herausgerufen, um polizeiliche Hilfe herbeizuholen. (dpa/lo.)