DIE WELT, 8.3.1999

Vorwürfe aus Israel gegen die Berliner Polizei
Justizsenator kündigt weitere Untersuchungen an

Berlin ­ Mehr als zwei Wochen nach der Erstürmung des israelischen Generalkonsulats durch Kurden haben israelische Diplomaten Vorwürfe gegen die Berliner Polizeiführung erhoben. Die Polizei habe nach den Todesschüssen auf Kurden nicht alle Möglichkeiten der Ermittlungen ausgeschöpft, kritisierten die Diplomaten nach einem Bericht der „Welt am Sonntag“. Zudem hätten sich deutsche Polizisten während des Sturms der Kurden auf das Konsulat am 17. Februar zweimal geweigert, das Gebäude zu betreten und die Eindringlinge aufzuhalten.
Berlins Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) wies die Vorwürfe der israelischen Diplomaten zurück, wonach lediglich die beiden israelischen Sicherheitsbeamten befragt worden seien, die geschossen hatten. Es seien auch andere Konsulatsmitglieder befragt worden, sagte er der „Berliner Morgenpost“. Körting kündigte weitere Ermittlungen an. Die Staatsanwaltschaft werde sich durch Nachvernehmungen aller Beteiligten um weitere Aufklärung bemühen. Zur Frage, inwieweit die in das Konsulat hereinstürmenden Kurden durch die Polizei hätten gestoppt werden können, schreibt die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf „unterrichtete Kreise“, zum Zeitpunkt des Angriffs hätten sich zwei Mitarbeiterinnen in einem Kellerraum des Konsulats verbarrikadiert. Dort hätten sie einen Notausgang zum Innenhof geöffnet und Polizisten zugerufen, sie sollten in das Konsulat kommen und die Kurden aufhalten. Die Beamten hätten mit dem Hinweis abgewunken, sie seien nicht befugt, das Konsulatsgebäude eines fremden Staates zu betreten. Auch auf die Bitte des Vizekonsuls Roger Rachmann, der aus einem Fenster direkt neben dem gestürmten Haupteingang herausgerufen habe, hätten die Polizisten nicht reagiert.
Unterdessen haben kurdische Emigranten Berichte über einen Mordaufruf gegen einen israelischen Sicherheitsbeamten als falsch zurückgewiesen. Die Organisation „Demokratische Emigranten-Union e.V.“ erklärte in Berlin, eine entsprechende Meldung der israelischen Zeitung „Yedioth Aharonoth“ treffe nicht zu. dpa/DW