Die Welt 4.3.1999
Bedenken in Israel wegen Berliner Ermittlungen Botschaften weiter in erhöhter Alarmbereitschaft

Von Jakob Menge
Berlin ­ Nach den Todesschüssen im israelischen Generalkonsulat in Berlin vor zwei Wochen befürchten israelische Medien jetzt weltweite Vergeltungsaktionen der PKK. Dazu könnten besonders Veröffentlichungen in der deutschen Presse in den letzten Tagen führen. Nach diesen Darstellungen sollen die israelischen Sicherheitsbeamten vor dem Konsulat „wild in die Menge geschossen“ haben. Seit dem blutigen Zwischenfall sind deshalb alle israelischen Botschaften in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Diese Anordnung wurde erst vor zwei Tagen noch einmal erneuert. Nach israelischer Darstellung hat es außer einem Warnschuß keine gezielten Schüsse nach außen gegeben. Aus Angst vor Racheaktionen seien die zwei israelischen Sicherheitsbeamten kurz nach ihrer neun Stunden langen Vernehmung am 18. Februar ausgeflogen worden. Auch Darstellungen des ZDF-Magazins „Kennzeichen D“ aus dem internen Obduktionsbericht beunruhigen die Israelis. Danach sei die 18jährige PKK-Anhängerin Sema Alp durch einen Schuß in den Rücken ums Leben gekommen. Für die Berliner Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, ein Grund, an der Notwehrthese der Israelis zu zweifeln. „Wenn jemand wirklich von hinten erschossen wird, dann sind Notwehrsituationen eigentlich kaum denkbar.“
Für den Fall, daß sich der Schuß in den Rücken als korrekt herausstellt, haben die Israelis allerdings auch eine Erklärung parat. Nach ihrer präzisierten offiziellen Darstellung des Tathergangs vom Dienstag hatte sich ein israelischer Sicherheitsbeamter nach gezielten Schüssen im Eingangsbereich des Konsulats auf eindringende Kurden einige Stufen die schmale Treppe nach oben gerettet und von dort acht Schüsse auf eine größere Gruppe PKK-Anhänger abgegeben, die ihm folgte. Zwar habe er dabei auf die Unterkörper gezielt, aber da er von oben schoß, könne nicht ausgeschlossen werden, daß andere Körperteile getroffen wurden, so die israelische Darstellung. Da auf der sehr schmalen Treppe einige Kurden gestürzt seien, sei es möglich, daß die Kurdin Sema Alp in den Rücken getroffen worden sei. „Der Sicherheitsbeamte hat aber aus reiner Notwehr gehandelt“, erklärt Din Heiman, Pressesprecher der israelischen Botschaft. Der israelische Inlandsgeheimdienst Schabak habe so vollständig wie möglich mit den deutschen Behörden kooperiert. Israel ermöglichte sogar eine Videorekonstruktion der Ereignisse mit den Sicherheitsbeamten, auf denen allerdings ihr Gesicht nicht zu sehen sei. Die israelische Seite hofft, so Heiman, daß „die nackte Wahrheit möglichst bald ans Licht kommt“.
Im Rechtsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses will Justizsenator Erhart Körting (SPD) heute genauere Auskunft über den Stand der Ermittlungen geben. „Wenn die Ermittlungen durch die Bundesregierung geführt würden, wären wir weniger beunruhigt“, sagte ein Regierungsvertreter der Zeitung „Ha’aretz“. „Aber die Berliner Behörden sind schwer einzuschätzen.“ Die Grünen wollen einen Untersuchungsausschuß einsetzen, wenn der Justizsenator nicht ausreichend Klarheit über die Vorgänge im israelischen Konsulat schafft.