Berliner Zeitung 03.03.19999
TÜRKEI
Grab der Erschossenen wird Pilgerstätte
Vierter Toter soll am Freitag überführt werden

Von Matthias Gebauer
Entgegen der eigentlichen Planung der türkischen Behörden ist das Grab der 18jährigen Sema Alp aus Neukölln im Südosten der Türkei offenbar doch zu einer Art Wallfahrtsort für Kurden und PKK-Sympathisanten geworden. Sema Alp war, wie drei andere Kurden auch, durch die Schüsse der israelischen Sicherheitsbeamten am 17. Februar ums Leben gekommen. Der Vater der Toten berichtete, daß kurz nach dem Abzug der massiven Polizeikräfte am Sonntag bereits mehrere Dutzend Angehörige und andere Kurden zum Grab gepilgert seien, um von Sema Alp Abschied zu nehmen. „Viele Menschen fühlen mit uns und wollen uns trösten“, so Mehmet Alp, der im Moment in Cijan bei seiner Familie ist.
Die Entwicklung des Begräbnisortes zu einer Pilgerstätte hatte die türkische Polizei zu verhindern versucht. Die PKK hatte in der Vergangenheit „Gefallene“ als Helden gefeiert und für ihre Propaganda benutzt.
Gemeinsam mit dem Geheimdienst hatte die Polizei die Familie deshalb am Freitag von der Maschine aus Frankfurt abgeholt und direkt nach Diyarbakir geflogen. Ebenso ging es den Angehörigen der beiden anderen toten Kurden. Eine Dreiergruppe von Journalisten wurde abgewiesen und erst nach stundenlangen Befragungen wieder auf freien Fuß gesetzt.
Der Familie wurde eine 10 Minuten dauernde Beerdigungszeremonie unter massivem Polizeischutz gestattet. „Nach dieser Aktion bin ich froh, daß wir jetzt eine Gelegenheit zur ruhigen Trauer haben“, so Mehmet Alp. Bisher, so der Familienvater, habe die Polizei an den Dutzenden Trauergästen keinen Anstoß genommen.
In Berlin wurde unterdessen bekannt, daß der vierte getötete Kurde am Freitag in seine Heimat überführt werden soll. Am gleichen Tag soll auch eine Trauerfeier in Berlin stattfinden.
Ob die türkischen Sicherheitsbehörden auch bei Sinan Karakus eine öffentliche Beerdigung in dem hauptsächlich von Kurden bewohnten Gebiet verhindern werden, steht noch nicht fest.