Meldung vom 28.02.1999 11:21
 
Vierter Kurde starb nach Schießerei in Berlin
Wieder Proteste gegen Festnahme Öcalans - Warnung vor Auseinandersetzungen zwischen PKK und türkischen Rechten

Berlin (AP) Knapp zwei Wochen nach dem Blutbad im israelischen Generalkonsulat in Berlin ist ein vierter Kurde seinen Verletzungen erlegen: Der 26jährige starb nach Angaben der Polizei am frühen Samstagmorgen, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Unterdessen demonstrierten erneut mehrere tausend Kurden und Deutsche in zahlreichen deutschen Städten für die Freilassung von PKK-Führer Abdullah Öcalan. Auch in Zürich gab es Proteste. Nach «Focus»-Informationen mobilisieren türkische Rechtsradikale ihre in Deutschland lebenden Landsleute gegen die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK.
Israelische Sicherheitsleute hatten den jungen Kurden am 17. Februar angeschossen, nachdem er zusammen mit rund 75 anderen Landsleuten versucht hatte, das Generalkonsulat in Berlin-Wilmersdorf aus Protest gegen Öcalans Festnahme in Kenia zu besetzen. Seit den Schüssen lag er im Koma. Drei Kurden starben sofort, 16 weitere, darunter der 26jährige, erlitten teils schwere Verletzungen. Die drei Toten waren am Freitag von ihren Familien in die Türkei übergeführt worden.
Die Kurdenproteste hielten die Polizei am Samstag in zahlreichen westdeutschen Städten in Atem. Rund 300 PKK-Anhänger demonstrierten in München friedlich für Öcalans Freilassung und skandierten Parolen gegen Israel.
Die Polizei setzte durch, daß vor Beginn der Veranstaltung von unzähligen Aufklebern mit Öcalans Foto der rote PKK-Stern abgerissen wurde. In Nürnberg zogen 550 Demonstranten weitgehend friedlich durch die Straßen, die Polizei nahm acht Menschen vorläufig fest.
In Kiel marschierten rund 800 Kurden und Deutsche durch die Innenstadt, und in Mainz verlangten nach Polizeischätzung rund 1.200 Kurden Öcalans Freilassung. In Frankfurt am Main verhinderten starke Kontrollen der Zufahrtswege, daß Kurden in die Innenstadt gelangen konnten. Auch in Braunschweig und Göttingen blieben
die Demonstrationen friedlich. In Zürich versammelten sich nach Polizeischätzung 4.000, nach Angaben der Veranstalter 6.000 bis 7.000 Menschen und demonstrierten für eine politische Lösung im Kurdenkonflikt.
Vor Eskalation der Gewalt gewarnt
Der CDU-Innenpolitiker Erwin Marschewski verlangte unterdessen die sofortige Ausweisung von Ausländern, die Landfriedensbruch begehen. Er sagte der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung», das Asylrecht sei ein Einfalltor für PKK-Aktivisten. So kämen gewaltbereite politische Extremisten ins Land, die ihr Gastrecht mißbrauchten.
Das Münchner Nachrichtenmagazin «Focus» meldete, türkische Rechtsradikale mobilisierten ihre in Deutschland lebenden Landsleute gegen die PKK. Der Chef des Hamburger Orient-Instituts, Udo Steinbach, warnte vor einer
Eskalation der Gewalt für den Fall, daß Öcalan hingerichtet wird. «Dann werden Türken und Kurden in Deutschland übereinander herfallen», sagte er dem Blatt. Der Vorsitzende des kurdischen Exilparlaments, Yasar Kaya, kündigte jedoch ein Ende der gewalttätigen Proteste in Deutschland an.
 

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