Berliner Zeitung, 10.12.2015

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Konferenz der syrischen Opposition in Saudi-Arabien

Suche nach einem syrischen Rechtsstaat ohne Assad

Von Martin Gehlen

Im saudischen Riyadh hat sich die zerstrittene syrische Opposition getroffen, um über die Zukunft ihres Landes zu beraten. Im Kern sind sich die Gruppen einig: Machthaber Bashar al-Assad muss weg, der IS bekämpft werden.

Von früheren Treffen der syrischen Opposition waren Beobachter einiges gewohnt: Türenknallen und Schreiduelle, Prügeleien auf den Hotelfluren und wütend fluchende Abreisende. Anders diesmal im saudischen Luxushotel Intercontinental der Hauptstadt Riad. Der Umgangston war weitgehend konstruktiv und gesittet, auch wenn das Treffen kurz vor Schluss doch noch in einem Eklat endete. Die Islamische Bewegung der Levante (Ahrar al-Sham), eine der großen islamistischen Rebellengruppen, zogen sich zurück, weil ihrer Meinung nach die gemäßigten Oppositionellen aus Damaskus zu regimenah seien und die Konferenz nicht „die muslimische Identität unseres Volkes“ bestätigt habe.

Fünf Jahre Bürgerkrieg

Die übrigen der gut hundert handverlesenen Repräsentanten der Assad-Gegner dagegen einigten sich am Abend auf einen Prinzipienkatalog für die geplanten Gespräche mit den Machthabern in Damaskus, die den fünfjährigen Bürgerkrieg in Syrien beenden sollen.

Erstmals saßen in Saudi-Arabien Exil-Politiker, die heimische Opposition sowie Rebellenkommandeure aller Lager zusammen an einem Tisch. Das Spektrum reichte von der in der Türkei ansässigen Nationalen Syrischen Koalition, über die Nationalen Koordinierungskomitees im Land bis zur Freien Syrischen Armee mit ihren 40 000 Bewaffneten sowie den Brigaden der Islamischen Armee (Jaish al-Islam) und der Islamischen Bewegung der Levante (Ahrar al-Sham). Deren etwa 30 000 salafistische Kämpfer werden von Saudi-Arabien, Qatar und der Türkei finanziert, sodass ihr spontaner Boykott in Riad nicht das letzte Wort sein dürfte.

In einem waren sich alle ungleichen Assad-Gegner einig. Die Übergangsregierung, die bis Mitte kommenden Jahres zustande kommen soll, muss alle Sektoren der Gesellschaft repräsentieren. Und der syrische Diktator sowie seine engsten Mitarbeiter dürfen in der neuen Führung keinerlei Rolle mehr spielen – eine Maximalforderung, die schon in den letzten Jahren alle Friedensanläufe von vornherein zunichte gemacht hat und an der selbst wichtige Mächte des Westens zuletzt nicht mehr festhielten. Gleichzeitig einigten sich die Delegierten auf einen 30-köpfigen Aufsichtsrat, der sich aus Vertretern aller anwesenden Oppositionsgruppen zusammensetzen soll. Das Gremium soll die 15-köpfige direkte Verhandlungsdelegation mit dem Regime steuern, deren Teilnehmer erst später nominiert werden.

Kurden bleiben außen vor

Vor vier Wochen hatte sich die internationale Diplomatie in Wien unter dem Eindruck des IS-Terroranschlags in Paris auf eine politische Agenda für einen Friedensprozess in Syrien geeinigt. Während der internationale Luftkrieg gegen den sogenannten Islamischen Staat und die Al- Kaida nahe Al-Nusra-Front fortgesetzt wird, soll das syrische Volk bis Ende 2017 eine neue Führung wählen.

Die Kurden dagegen stehen bei allen Gesprächen bisher abseits. Auf Druck der Türkei waren ihre Vertreter in Riad nicht mit dabei, obwohl kurdische Einheiten 2015 in den syrisch-türkischen Grenzorten Kobane und Tel al-Abyad sowie der Stadt Sinjar die wichtigsten Siege gegen den Islamischen Staat errangen. Die Ausgeschlossenen trafen sich im Städtchen Al-Malikiyeh und gründeten zusammen mit lokalen christlichen und arabischen Milizen den Syrischen Demokratierat, der ein föderales Syrien zu seinem Ziel erklärte.
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