spiegel.de, 08.12.2015

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Steinmeier im Nordirak: Mehr Waffen, mehr Geld, mehr Hoffnung

Aus Arbil berichtet Matthias Gebauer

Außenminister Steinmeier mit Kurden-Präsident Barsani: Bewährter Partner im Kampf gegen den IS

Kurdische Kämpfer haben den IS im Nordirak zurückgedrängt - auch mit Waffen aus Deutschland. Außenminister Steinmeier deutet nun weitere Hilfen an. Der Aufbau befreiter Städte soll ein Signal an die Flüchtlinge sein.

Es kommt nicht oft vor, dass ein Außenminister seine Reisen persönlich organisiert. Am Montagnachmittag ging es nicht anders. Frank-Walter Steinmeier war in Bagdad unterwegs, in gepanzerten Jeeps eilte er von Termin zu Termin, da meldeten seine Leute ein Problem. Weil die Russen vom Kaspischen Meer aus Marschflugkörper nach Syrien abfeuern, war der Luftraum über Arbil im Nordirak gesperrt. Steinmeiers Plan, am Abend ins Kurden-Gebiet zu fliegen, schien in Gefahr.

Von der Bundeswehr in Arbil war zunächst keine klare Aussage zu bekommen, auch die Amerikaner mussten passen. Vom europäischen Koordinator für alle Militärflüge gab es nur die Warnung, dass Gefahr drohe. Irgendwann griff Steinmeier selber zum Telefon. Auf höchster Ebene, möglicherweise direkt aus Moskau, bat er um eine Sicherheitsgarantie für seinen Flug nach Arbil. Zwei Stunden später konnte der Minister abheben.

Bei den Kurden wollte Steinmeier vor allem Hoffnung verbreiten. Vor gut einem Jahr, im August 2014, war der Minister das letzte Mal hier. Damals drohte der "Islamische Staat" (IS) den Nordirak zu überrennen, die Großstadt Mossul war schon gefallen. Im Eiltempo entschied sich Berlin zu einer Aufrüstung der kurdischen Peschmerga-Kämpfer. Entgegen allen bisherigen Prinzipien lieferte Deutschland umgehend panzerbrechende Raketen und Sturmgewehre in ein Krisengebiet.

An dieser Entscheidung hält Steinmeier fest. Am Dienstag stand er neben dem kurdischen Präsidenten Massud Barsani. In seinem riesigen Palast in den Bergen über Arbil wirkte der Kurden-Kommandeur in der olivgrünen Peschmerga-Uniform und dem rot-weißen Turban noch kleiner als sonst. Barsani, berichtete Steinmeier, habe ihm gerade noch mal unter vier Augen gedankt. Demnach sei die deutsche Waffenhilfe entscheidend gewesen, "um hier in der Region eine Wende der militärischen Situation herbeizuführen".

Die Kurden als Lichtblick im Chaos

Die Kurden bekamen ebenso viel Lob. "Diejenigen, die sich mutig gegen den IS geworfen haben", so Steinmeier, hätten Respekt und jede Hilfe verdient, um die Islamisten zu stoppen. Deswegen seien auch weitere Waffenlieferungen möglich. Vor Monaten schon haben die Kurden eine Wunschliste für neue "Milan"-Raketen und Munition für die deutschen Sturmgewehre vorgelegt. Ein Waffenpaket für die Kurden wird bereits zusammengestellt, zudem stockt Berlin die Militärausbildung in Arbil noch einmal auf.

Tatsächlich haben sich die Kurden im Kampf gegen den IS als Partner bewährt. In den vergangenen Wochen eroberten sie, unterstützt von US-Luftschlägen, die Stadt Sindschar zurück. Steinmeier bezeichnet das als "ermutigendes Zeichen". Nicht nur er hofft, dass die Peschmerga in den kommenden Monaten zumindest den Nordirak wieder weitgehend unter Kontrolle bringen können. Es wäre ein Anfangserfolg im Kampf gegen die Kämpfer von IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi, ein Lichtblick im Chaos.

Als Außenminister wollte Steinmeier aber nicht nur über das Militär reden. Immer wieder betont er, dass auch der Einstieg der Bundeswehr in den Luftkrieg über Syrien nur dann Erfolg haben könnte, wenn der mühsam erarbeitete Friedensplan für das geschundene Land Ergebnisse zeige. Diese Woche treffen sich in Saudi-Arabien die teils verfeindeten Rebellengruppen. Einigen sie sich auf eine gemeinsame Führung, könnte diese mit dem jetzigen Regime über eine Übergangsregierung verhandeln.

Städte sollen rasch bewohnbar werden - als Zeichen an Flüchtlinge

Bis dahin will Deutschland vor allem beim Wiederaufbau der vom IS zurückeroberten Gebiete in Kurdistan helfen. Für 2016 stockt Berlin das Hilfsbudget um 40 Millionen Euro auf, für eine schnelle Verbesserung der medizinischen Versorgung in Tikrit und Sindschar schickt die Regierung fünf mobile Kliniken in den Nordirak. Werden diese Städte schnell wieder einigermaßen bewohnbar, soll das im besten Fall auch ein Zeichen an die Binnenvertriebenen werden und sie von der Flucht nach Europa abhalten.

Dass die Kooperation mit den Kurden auch Probleme birgt, spielte beim Kurztrip in Arbil nur am Rande eine Rolle. Präsident Barsani betonte wie selbstverständlich, dass er noch immer eine Unabhängigkeit seiner Region, möglicherweise sogar einen eigenen Staat, anstrebe. Faktisch würde das den Zerfall des Iraks bedeuten. Steinmeier ließ sich darauf nicht ein. "Ich bin kein Freund von neuen Grenzziehungen", sagte er lediglich, "das würde weitere Probleme bringen".