Neue Zürcher Zeitung, 08.12.2015

http://www.nzz.ch/international/naher-osten-und-nordafrika/is-kaempft-mit-waffen-aus-ueber-25-laendern-1.18659560

Islamischer Staat

Warum der IS mit Waffen aus dem Westen kämpft

Amnesty International prangert den internationalen Waffenhandel mit dem Irak an. Dieser habe das Erstarken des IS erst möglich gemacht.

von Daniel Steinvorth

Jahrzehntelang wurde der Irak mit Maschinengewehren, Panzerabwehrraketen, Handgranaten und anderem Kriegsgerät aus aller Welt geflutet. Schon in den Siebziger und Achtziger Jahren erhielt das Land sagenhafte Lieferungen aus den USA, Russland, Frankreich, China, Deutschland und vielen anderen Staaten. Kontrolliert oder reguliert wurden die Waffengeschäfte nie.

«Beispielloser Zugang»

So lässt sich erklären, warum die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die einen Grossteil ihres Arsenals vom irakischen Militär erbeutet hat, heute einen «beispiellosen Zugang» zu Waffen geniesst, wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht anprangert. Der rücksichtslose Waffenhandel und die schlecht überwachten Waffenflüsse in den Irak hätten das Erstarken der Extremisten überhaupt erst möglich gemacht.

Dem Amnesty-Bericht zufolge nutzte der IS vor allem die umfangreichen Bestände, die ihm bei der Eroberung der Stadt Mosul im Juni 2014 in die Hände fielen. Auch bei der Eroberung von Armee- und Polizeistützpunkten in Falluja, Tikrit und Ramadi haben die Jihadisten Waffen aus aller Welt erbeutet – Waffen, mit denen sie ihre Terrorherrschaft sichern und zahlreiche Massaker an militärischen Gegnern und Zivilisten verüben konnte.

Auch Waffen aus der Schweiz

Laut Amnesty kämpft der IS heute mit Erzeugnissen aus mindestens 25 verschiedenen Staaten, darunter alle fünf ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats. Im Einsatz seien etwa Sturmgewehre aus Belgien, Russland, China, Deutschland und den USA. Auch die Schweiz lieferte Kriegsgerät. Das irakische Militär kaufte sie diesen Ländern zwischen den 1970er und 1990er-Jahren ab.

Dabei habe der Golfkrieg von 1980 bis 1988 entscheidend zur Aufrüstung beigetragen. Doch auch nachdem 1990 ein Uno-Embargo über den Irak verhängt wurde, gelangten Waffen in das Land. Mit der militärischen Intervention der USA 2003 nahmen die Waffenlieferungen wieder rapide zu. Zwischen 2011 und 2013 unterzeichneten die Amerikaner Lieferverträge im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar mit der irakischen Regierung.

Amnesty International fordert als Konsequenz aus der Entwicklung vor allem schärfere Kontrollen der Waffenbestände im Irak.