Neue Zürcher Zeitung, 05.12.2015

http://www.nzz.ch/international/naher-osten-und-nordafrika/der-irak-will-keine-auslaendischen-truppen-1.18658711

Kampf gegen den IS

Der Irak will keine ausländischen Truppen

Die Türkei will ihr Ausbildungsprogramm von sunnitischen Kämpfern im Irak verstärken. Washington plant die Entsendung von Elitesoldaten. Doch schiitische Milizen laufen dagegen Sturm.

von Inga Rogg, Istanbul

Die türkische Regierung spricht von einem ganz normalen Vorgang, die irakische dagegen von einer schweren Verletzung der Souveränität des Landes. Begleitet von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen hat die Türkei mindestens 150 Soldaten auf einen Stützpunkt nahe der nordirakischen Stadt Mosul verlegt. Auf der Basis in Bashika bilden türkische Soldaten seit rund einem Jahr sunnitische Kämpfer für den Einsatz gegen die Extremisten des Islamischen Staats (IS) aus. Das Ausbildungsprogramm findet in Absprache mit Masud Barzani, dem Regionalpräsidenten von Kurdistan, statt. Das war auch in Bagdad bekannt, aber offenbar nicht mit der Zentralregierung vereinbart.

Gute Beziehungen mit Barzani

Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi forderte am Samstag den sofortigen Abzug der türkischen Soldaten. Der Präsident nannte die Truppenverlegung einen Verstoss gegen internationales Recht. Der Aussenminister bestellte den türkischen Botschafter ein. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu erklärte dagegen, es handele sich um einen ganz normalen Truppenaustausch. Ähnlich äusserte sich auch die kurdische Regionalregierung.

Ankara unterhält freilich beste Beziehungen mit Barzani. Schon vor 20 Jahren holte er türkische Truppen im Kampf gegen die türkisch-kurdischen PKK-Rebellen ins Land. Laut türkischen Medienberichten sind in Bamerni und auf einer weiteren Basis derzeit 900 Soldaten stationiert. Darüber hinaus bilden türkische Soldaten seit Ende 2014 in der Nähe von Erbil und Suleimaniya auch Peschmerga, die Kämpfer des kurdischen Teilstaats, aus. Während sich diese Camps alle in Kurdistan befinden, liegt Bashika in einem zwischen den Kurden und Bagdad umstrittenen Gebiet.

Abadi unter Druck

Vor allem bilden die Türken in Bashika sunnitische Kämpfer des ehemaligen Gouverneurs von Mosul aus, das heute vom IS kontrolliert wird. Das ist den schiitischen Milizionären ein Dorn im Auge. Sie haben mit Angriffen auf die türkischen Soldaten gedroht. Dass es so weit kommt, ist eher unwahrscheinlich, aber die von Iran unterstützten Milizionäre demonstrieren damit einmal mehr ihre Macht. Washington hat angekündigt, Elitesoldaten in den Irak zu verlegen. Sie sollen Jagd auf die IS-Führung machen. Angesichts der Drohungen sprach sich Abadi gegen die Eliteeinheiten aus. Der Irak brauche keine ausländischen Bodentruppen, schrieb er auf seiner Facebook-Site.

Ungeachtet der Drohungen will die Türkei offenbar weitere Truppen in den Nordirak schicken. Auf über 2000 Soldaten soll die Präsenz steigen, wie die regierungsnahe Zeitung «Sabah» berichtete.