Frankfurter Rundschau, 01.12.2015

Kampf gegen IS

„Ein Mandat aus der Hölle“

Von Markus Decker und Thomas Kröter

Das Kabinett beschließt, die Bundeswehr in einen Einsatz gegen den IS zu schicken. Die Opposition hat schwere Bedenken, die Bevölkerung ist gespalten.

Im Eilverfahren will die große Koalition aus CDU/CSU und SPD den Einsatz der Bundeswehr im Syrien-Krieg auf den Weg bringen. Am heutigen Mittwoch wird der Antrag, den die Bundesregierung am Dienstag beschlossen hat, ins Parlament eingebracht. Bereits am Freitag soll der Bundestag das Mandat beschließen, das die Entsendung von bis zu 1200 Soldaten vorsieht. Zu ihren Aufgaben zählen unter anderem die Luftaufklärung mit sechs Tornado-Flugzeugen, Luftbetankung von Einsatzflugzeugen anderer Nationen sowie der Begleitschutz für einen französischen Flugzeugträger.

Die „einsatzbedingten Zusatzkosten“ der für zunächst ein Jahr geplanten Mission werden auf 134 Millionen Euro veranschlagt. Die Opposition erhebt dagegen schwere politische und juristische Bedenken. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGof sind 45 Prozent der Bürger für und 39 Prozent gegen den Einsatz.

Ein direkter Kampfeinsatz ist in dem Mandat nicht vorgesehen. Die deutschen Soldaten sollen den „Kampf gegen den Terrorismus im Rahmen der Allianz gegen den IS“ unterstützen. Im Mandatstext heißt es allerdings: „Die eingesetzten Kräfte haben zur Durchsetzung ihrer Aufträge das Recht zur Anwendung militärischer Gewalt.“ Das umfasse den eigenen, aber auch den Schutz „anderer Partner“ sowie die „Nothilfe“.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rechnet mit einem langen Einsatz. „Gegen einen Gegner wie den IS brauchen wir einen langen Atem“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, geht davon aus, dass der Kampf gegen den IS „weit über zehn Jahre“ andauern werde.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hob insbesondere die Bedeutung der deutschen Aufklärungsflugzeuge für den Einsatz in Syrien hervor. Sie dienten nicht nur der Bestimmung militärischer Ziele aus der Luft. Sie hätten darüber hinaus die Aufgabe, die Bevölkerung „und diejenigen, die gegen den IS kämpfen, am Boden auch zu schützen“.

Der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte dem Sender n-tv, dass es nicht ausreiche, den IS aus der Luft zu bekämpfen. Vielmehr müsse es auch Einsatz auf dem Boden geben. Deshalb unterstütze Deutschland die kurdischen Peschmerga-Kämpfer. Die Zahl der deutschen Ausbilder soll Jung zufolge von 100 auf 150 erhöht werden. Einen Einsatz eigener Bodentruppen lehnt die Bundesregierung strikt ab.

Die Linkspartei hat bisher Bundeswehreinsätzen eine Absage erteilt, zumal den Kampfeinsätzen. Allerdings begrüßte Fraktionschefin Sahra Wagenknecht zuletzt französische Überlegungen, Streitkräfte des syrischen Regimes am Kampf gegen die Terrormiliz IS zu beteiligen. „Krieg und Bomben schaffen keinen Frieden“, sagte sie. „Es wäre dennoch zu begrüßen, wenn sich Frankreich mit diesem Vorstoß zumindest von der Strategie verabschiedet, an der Seite von USA und Nato unliebsame Regime mit militärischen Mitteln zu destabilisieren und nach Möglichkeit zu stürzen.“

Bei den Grünen verhält es sich anders. Sie schwankten bei militärischen Fragen zuletzt immer wieder. Oft lief es auf ein geteiltes Abstimmungsverhalten und zahlreiche Enthaltungen hinaus. Freilich machen Enthaltungen einen unentschlossenen Eindruck. Auch so erklärt sich nun wohl das sich abzeichnende mehrheitliche Nein.

Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter beklagte am Dienstag jedenfalls, dass eine wasserdichte Rechtsgrundlage für den Syrien-Krieg fehle. Sie fügte hinzu: „Dieser Einsatz hat auch kein politisches Ziel, kein politisches Konzept, und deswegen ist er unverantwortbar.“ Der grüne Fraktionschef Anton Hofreiter zeigte sich sehr skeptisch. Was Wagenknecht sich wünschen würde, eine Kooperation mit Truppen des syrischen Diktators Baschar al-Assad, wollen Hofreiter und die Seinen gerade nicht.

Das Dilemma zwischen der Solidarität mit Frankreich und den gleichzeitigen Bedenken, was den Sinn und den Zweck des Einsatzes angeht, lässt sich nicht wegreden. Ein grüner Bundestagsabgeordneter, der zu den Realos zählt, sagte der Frankfurter Rundschau deshalb: „Das ist ein Mandat aus der Hölle.“
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