Neues Deutschland, 23.03.2009

Der trockene Halbmond

Verschwendung und mangelhaftes Wassermanagement bedrohen Wiege des Ackerbaus

Von Karin Leukefeld

Der »Fruchtbare Halbmond« – ein an Quellen und Regenwasser reiches Gebiet, das sich halbmondförmig von Palästina über Libanon, Syrien, den Südosten der Türkei und Irak bis zum arabisch-persischen Golf erstreckt, war einst die Wiege der Landwirtschaft. Doch heute fehlt nicht nur im kriegszerstörten Irak das Wasser, der »fruchtbare Halbmond« insgesamt droht auszutrocknen.

Die einst mächtigen Ströme Euphrat und Tigris sind heute im Irak nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ausbleibender Regen in der Region ist ein Grund für den schwindenden Wasserspiegel, ein anderer Grund ist das ehrgeizige Südostanatolien-Staudammprojekt (GAP) der Türkei, das den südlichen Anrainerstaaten Syrien und Irak sprichwörtlich das Wasser abgräbt. Euphrat und Tigris entspringen in den Bergen im kurdischen Südosten der Türkei, die das Wasser auf einer Fläche von 75 000 Quadratkilometern mit 22 Staudämmen und 19 Wasserkraftwerken zur Strom-erzeugung nutzt und auf Agrarflächen leitet. Von 50 Milliarden Kubikmetern Wasserdurchlaufmenge pro Jahr, davon 30 Milliarden Kubikmeter im Euphrat und 20 Milliarden im Tigris, zweigt die Türkei jährlich 17 Milliarden Kubikmeter für eigene Projekte ab. Während weitere Staudammprojekte in Syrien dem Euphrat Wasser abzapfen, kommt der weiter östliche fließende Tigris heute in Bagdad gerade mal halb so breit wie in den 1970er Jahren an.

In Syrien macht die landwirtschaftliche Produktion etwa 23 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, doch seit drei Jahren gibt es kaum Regen, tausende Arbeitsplätze seien bereits verloren gegangen, erklärte kürzlich Finanzminister Mohammed al-Hussein.

Wegen seines großen Wasserverbrauchs gräbt Israel seinen Nachbarn das Wasser ab. Obwohl Israel jährlich nur 160 Millionen Kubikmeter (m³) in das Flusssystem des Jordan einspeist, entnimmt es im gleichen Zeitraum 700 Millio- nen m³. Syrien, das 435 Millionen m³/Jahr einspeist, entnimmt nur 260 Millionen m³, ähnlich sieht das Verhältnis beim Libanon, bei Jordanien und den besetzten palästinensischen Gebieten aus. Die Folge: Der Jordan mündet als schlammiges Rinnsal ins Tote Meer, dessen Wasserspiegel pro Jahr um einen Meter fällt.

»Der Jordan ist bald eine Grenze ohne Wasser«, erklärte anlässlich des Weltwassertages am 22. März Stefan Hörmann vom Global Nature Fund (GNF) in Bonn. »Wenn nicht bald gehandelt wird, trocknet der für die ganze Region so bedeutende Fluss innerhalb der nächsten Jahre aus.« Früher habe der Jordan 1,3 Milliarden m³ Süßwasser pro Jahr ins Tote Meer transportiert, heute sei es nur noch ein Zehntel davon, obendrein stark verunreinigt. Der GNF hat mit seiner Partnerorganisation Friends of the Earth Middle East einen Plan zur »Renaturierung des Flusssystems am Unteren Jordan« entwickelt, das auf ein nachhaltiges Wassermanagement der Anrainerstaaten abzielt. Israel und Jordanien wollen stattdessen durch einen 200 Kilometer langen Kanal Wasser vom Roten Meer zum Toten Meer bringen. Das »enorm teure Projekt« werde nicht das Tote Meer »und erst recht nicht den Jordan retten«, kritisiert Stefan Hörmann.

Heftige Regenfälle, die im Februar/März auf Jordanien niedergingen, haben die Wasserreserven Jordaniens vorerst wieder angefüllt. Dennoch werden die Bauern nur etwa 50 Prozent der Wassermenge erhalten, die sie zum Bewässern ihrer Felder und Plantagen brauchen. Wenn der Wassermangel weiter anhalte, werde es den Beruf des Bauern in Jordanien bald nicht mehr geben, fürchtet Salem Falahat von der Jordanischen Gesellschaft für Landwirtschaftsingenieure.