Stuttgarter Zeitung, 21.03.2009

Weltwassertag

Von der Kunst, einen Fluss zu teilen

Stuttgart - Flüsse halten sich nicht an Landesgrenzen. Deswegen widmet sich der diesjährige Weltwassertag am 22. März der Frage, wie man die Nutzung der Ströme gerecht verteilen kann. In Mitteleuropa gibt es positive Beispiele.

Von Tanja Krämer

Genau 263 Flüsse und Gewässer fließen weltweit durch mehrere Länder, hinzu kommen mehr als 300 unterirdische Grundwasserleiter, die sich nicht an Landesgrenzen halten. Mehr als die Hälfte des globalen Süßwassers befindet sich in transnationalen Gewässern - und 145 Staaten müssen es sich teilen. Wenn keine Vereinbarungen über die Wassernutzung ausgehandelt werden, ist das Risiko für Konflikte hoch. Nach Ansicht von Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist Wasser "ein Gut, dessen Verteilung über Krieg und Frieden entscheiden kann". Der diesjährige Weltwassertag soll auf diese Problematik aufmerksam machen.

Das beste Beispiel für Konflikte sei der Nil, findet der Hydrologe Wolfgang Kinzelbach von der ETH Zürich. Ende der siebziger Jahre kündigte Äthiopien an, am Blauen Nil einen Staudamm zu bauen, der dem flussabwärts gelegenen Ägypten Wasser vorenthalten hätte. Ägypten drohte damals, den Staudamm zu bombardieren. Bis heute ist das Wasser zwischen den beiden Ländern ein Streitobjekt: "Ägypten ist mit dem ihm zugestandenen Wasseranteil am Anschlag. Wenn nun Länder wie Somalia und Äthiopien oder auch Sudan mehr bewässern, wird es am Unterlauf noch enger", sagt Kinzelbach.

Türkische Pläne sorgen für Unmut

Auch die Wassernutzungspläne der Türkei sorgen für Unmut. Das Land, in dem in dieser Woche das Weltwasserforum tagt, will bis zu 13 Flüsse privatisieren. Zudem steht das so genannte Südostanatolien-Projekt in der Kritik: Mit insgesamt 22 Staudämmen sowie 19 Wasserkraftwerken und Bewässerungsanlagen will die Türkei bis 2010 knapp 30 Prozent ihrer Wasserressourcen kontrollieren. "Das Projekt sorgt für Konflikte mit Syrien und dem Irak", sagt Kinzelbach.

Besonders kritisch ist der Ilisu-Staudamm am Tigris, der in den kommenden Jahren gebaut werden soll. Er wird kurz vor der Grenze zu Syrien das Wasser aufstauen. Zusammen mit den Staudämmen am Euphrat hätte die Türkei so faktisch die Möglichkeit, die zwei wichtigsten Wasseradern des regenarmen Syriens zu kontrollieren. Dass der Staat solche rigorosen Mittel durchaus anwenden könnte, zeigt die Vergangenheit: Bereits im Kampf gegen Saddam Hussein setzte die Türkei Wasser als Druckmittel ein - und drehte dem Irak mit Billigung der Nato den Hahn zu.

Dennoch gibt es Anlass zur Hoffnung. Die Vereinten Nationen haben errechnet, dass es in den vergangenen 50 Jahren zwar 37 Konflikte über Wasserressourcen gab, aber immerhin 295 internationale Abkommen. "Wasser ist eine Ressource, die zur Kooperation anregt", sagt Kinzelbach. "Ein Damm kann den Unterstrom positiv und negativ beeinflussen, je nach Jahreszeit. Damit ist immer eine Verhandlungsbasis für Kompromisse vorhanden." Das sieht man am Beispiel der Donau.

Donau durchquert zehn Länder

Auf den fast 2900 Kilometern von ihren zwei Quellflüssen im Schwarzwald bis zum Delta im Schwarzen Meer durchquert sie zehn Länder. Dämme, Umweltverschmutzung und Wasserverbrauch setzten dem Fluss in den vergangenen Jahrzehnten stark zu. Besonders die unteren Anrainer wie Rumänien und Bulgarien litten in den neunziger Jahren unter dem verdreckten Wasser. 1994 schlossen sich die Donauländer zu einer Schutzkommission zusammen. Seither verringern sie gemeinschaftlich die schädlichen Einleitungen.

Sie schufen Nationalparks und renaturierten einige Stellen des stark begradigten Flusses. Mit Erfolg: die Verschmutzung des Flusses ist zurückgegangen. Heute ist die Donau zwar noch nicht sauber, aber sie hat sich zumindest um eine Gewässergüteklasse verbessert. Ähnlich erfolgreich ist die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR). Sie wurde bereits 1950 gegründet, doch ihre Stunde schlug erst am 1. November 1986. In den frühen Morgenstunden brach damals ein Feuer in einer Lagerhalle des Chemiekonzerns Sandoz nahe Basel aus. 1250 Tonnen Agrarchemikalien brannten lichterloh. Die Feuerwehr reagierte schnell. Aber ihr Löschwasser spülte etwa zwanzig Tonnen Giftstoffe in den nahe gelegenen Rhein. Es war eine der schlimmsten Umweltkatastrophen der vergangenen Jahrzehnte.

Nach dem Unfall war der Rhein streckenweise tot. Auf einer Länge von 400 Kilometern lebte nach wenigen Tagen kein Aal mehr, die Trinkwasserversorgung mit Rheinwasser wurde eingestellt. Heute hat sich der Rhein dank teurer Sanierungs- und Schutzprogramme der IKSR, in der alle neun Anrainerstaaten mitwirken, wieder recht gut erholt. Seit wenigen Jahren gibt es wieder Lachse im Fluss, etwa 5000 sind es nach Schätzungen der Schutzkommission.

Als weltweites Vorbild zählt vor allem der Bodensee, der seit 1961 durch ein internationales Programm sauber gehalten wird. Aber auch am sauberen Wasser gibt es Kritik: Seit einiger Zeit klagen die Fischer, weil ihre Fänge immer weniger einbringen. Der Grund: Im sauberen Wasser finden sich weniger Nährstoffe als früher - und die Fische werden heute einfach nicht mehr so groß.