junge Welt, 25.06.2008

Kurdischer Sender verboten

Im deutschen »Sicherheitsinteresse« ordnet Bundesinnenministerium Beschlagnahme von TV-Technik an

Von Nick Brauns

Das Bundesinnenministerium hat den kurdischen Fernsehsender Roj TV im Bereich der BRD verboten. Der in Dänemark lizensierte Satellitensender sei in die Organisationsstruktur der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK eingebunden und richte sich gegen den »Gedanken der Völkerverständigung«, heißt es im am Dienstag bekanntgeworden Bescheid. Ebenfalls verboten wurde die für RojTV in Deutschland tätige Produktionsfirma VIKO, die Beschlagnahme ihres Vermögens wurde angeordnet.

Wesentlicher Sendeinhalt sei eine »Glorifizierung des bewaffneten Kampfes gegen die Türkei« und das »Schüren eines Personenkultes um den inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan«, so das Innenministerium. Roj TV habe beispielsweise einen Beitrag gesendet, der den Guerillakommandanten Bahoz Erdal beim Tanz mit anderen Kämpfern zeigt. Außerdem würde suggeriert, bei der Guerillaausbildung handle es sich um eine »Art Abenteuercamp«.

Durch seine mediale Präsenz gelinge es Roj TV, eine breite Öffentlichkeit im Sinne der PKK-Ideologie zu »indoktrinieren«. Dies »schürt Haß zwischen Menschen türkischer und kurdischer Volkszugehörigkeit«, so das Innenministerium ungeachtet der Tatsache, das der Sender beharrlich für eine politische Lösung der kurdischen Frage wirbt. Vor dem Hintergrund des »verschärften Vorgehens des türkischen Staates gegen PKK-Guerillastellungen« – gemeint sind die völkerrechtswidrigen Luftangriffe auf Ziele im Nordirak –erforderten »Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland« das Verbot des »PKK-Haussenders«.

Roj TV erreicht mit seinen Kultur- und Nachrichtensendungen in kurdischer, türkischer, arabischer und persischer Sprache täglich mehrere Millionen Menschen. In der Türkei, wo kurdischsprachige Nachrichtenssendungen verboten sind, aber auch für Hunderttausende kurdischstämmiger Bürger in Deutschland ist Roj TV eine wichtige alternative Nachrichtenquelle gegenüber den meist chauvinistisch aufgeladenen, antikurdisch ausgerichteten türkischen Medien. Weil auch kurdische Exilpolitiker und Vertreter der Befreiungsbewegung zu Wort kommen, fordert die Türkei, unterstützt von den USA, seit langem ein Verbot des Senders.

Da Roj TV außer aus seinem nun geschlossenen Studio in Wuppertal von seinem Hauptstudio in Brüssel sendet, kann der Sender in Deutschland vorerst weiter über Satellit empfangen werden. Übertragungen von kurdischen Friedensdemonstrationen oder Festivals in Deutschland sind nun allerdings ebenso verboten wie öffentliche Ausstrahlungen von Roj TV etwa in kurdischen Cafés.

Zusätzlich Öl ins Feuer gießt das offenbar frühzeitig vom Roj TV-Verbot unterrichtete Springerblatt Berliner Morgenpost mit der Schlagzeile »Kurden bedrohen türkische Einrichtungen« in seinem Berlin-Teil. Beweise dafür bleibt der Autor schuldig. Unter Bezugnahme auf einen »ranghohen Beamten« heißt es lediglich, die Berliner Polizei habe eine intensive Beobachtung türkischer Einrichtungen angeordnet, da Proteste von Kurden nicht auszuschließen seien.