Deutschlandradiokultur, 28.04.2008

Ultimatum 30. April

Der Bau des Ilisu-Staudamms in der Osttürkei bringt die Geldgeber in Erklärungsnot

Von Susanne Güsten

Der Ilisu-Stausee in der Osttürkei ist in diesem Jahrzehnt das größte Bauprojekt dieser Art in ganz Europa. Mindestens 55.000 Menschen werden ihr Heim verlassen müssen, bevor der Stausee fast 200 Siedlungen in fünf Provinzen flutet. Zur Umsiedlung der Bevölkerung und zum Schutz der Kulturgüter gibt es zwar Auflagen. Doch über deren Umsetzung lässt die Türkei nicht nur die Dorfbewohner, sondern auch die Geldgeber aus dem Ausland im Unklaren.

Eine Großbaustelle in der Wildnis. Tief in Südostanatolien, in einem unwegsamen Gebirgstal am Tigris, donnern Lastwagen mit Betonbauteilen über eine improvisierte Kiespiste. Bagger schlagen ihre Zähne in den steinigen Boden, Staubwolken wirbeln durch das Tal. Während die Kreditversicherer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit der Türkei noch um die Auflagen für den Bau des Ilisu-Staudamms ringen, haben die Arbeiten am Damm bereits begonnen.

"Hier ist Baugebiet, und hier dürfen Sie nicht hinein. Aus, Ende."

Schranken, Sperren und Stacheldrahtrollen riegeln die Baustelle ab, bewaffnete Soldaten versperren den Weg. Was hier in Ilisu als erstes gebaut wird, noch vor einer vernünftigen Zufahrtsstraße, das ist ein Militärlager. Eine gewaltige Trutzburg mit Kasernen für hunderte von Soldaten entsteht auf einem Hügel über dem Tigris; auf den umliegenden Bergspitzen sind die Wälder gerodet. Dort sollen Wachposten der Armee entstehen.

Aus gutem Grund gräbt sich das türkische Militär so ein: Ilisu liegt mitten im Kampfgebiet zwischen der Armee und der kurdischen Rebellengruppe PKK. Auf dem Berg Gabar, in Sichtweite von Ilisu auf dem gegenüberliegenden Tigris-Ufer, gibt es fast wöchentlich Gefechte mit vielen Toten. Im Kreis Dargecit, zu dem Ilisu gehört, ist die PKK so aktiv, dass die Landstraße seit Jahren von einem eigenen Armeeposten bewacht wird. Durch die Staudamm-Baustelle ist die Sicherheitslage noch kritischer geworden. Auch das Dorf Ilisu selbst und die umliegenden Dörfer seien nun militärisches Sperrgebiet, behaupten die Soldaten, die mit der Waffe im Anschlag den Weg zum Dorf versperren. Erst nach einer Intervention des Landrates von Dargecit bei der Kommandantur geben sie Stunden später den Weg nach Ilisu schließlich frei.

So laut, hektisch und angespannt es auf der Baustelle von Ilisu zugeht, so ruhig und friedlich ist es am Brunnen im Dorf - noch. Ilisu ist eines der ersten Dörfer, das in den Fluten des Stausees versinken wird, wenn der Staudamm fertig ist. Insgesamt wird der Ilisu-Stausee fast 200 Siedlungen in fünf Provinzen vollständig oder teilweise fluten. Mindestens 55.000 Menschen werden ihr Heim verlassen müssen - es ist das größte Projekt seiner Art in ganz Europa in diesem Jahrzehnt.

Eine junge Bäuerin namens Leyla wäscht am Brunnen ihr Geschirr unter dem fließenden Gebirgswasser. Wie lange sie und ihre sechs Kinder noch in ihrem Dorf bleiben können, weiß Leyla nicht:

"Wir haben keine Ahnung, wann wir raus müssen, wir wissen nichts. Unser Besitz ist schon verstaatlicht, das Geld für das Haus ist uns schon ausbezahlt worden, für die Felder und Obstgärten haben wir noch nichts bekommen. Wir wollen das Geld auch gar nicht, sie zahlen ohnehin zu wenig. Die Leute von den Behörden reden von einem neuen Siedlungsort, aber wo das sein wird und ob wir dort ein Haus bekommen, das wissen wir nicht. Wir wissen nicht, wo wir hin sollen, wir wollen ja überhaupt nicht hier weg. Wir sind glücklich und zufrieden mit unserem Leben hier. Wir haben hier Vieh, Felder und Obstgärten, von denen leben wir. Woanders wird es schwer für uns. Wovon wir dann leben sollen, das hat uns noch niemand gesagt."

Ein altes Problem ist das in der Türkei. Dutzende Staudämme gibt es im Land bereits, und fast immer ging der Bau zu Lasten der Bevölkerung im Flutungsgebiet.

Zweifel hatten auch die Europäer, die ihre Kreditgarantien für den Ilisu-Staudamm deshalb mit konkreten Auflagen verbunden haben. Ein Katalog von mehr als 90 detaillierten Auflagen für die Umsiedlung der Bevölkerung wie auch für den Schutz von Kulturgütern und Umwelt ist Bestandteil der Verträge zwischen der Türkei auf der einen und den Kreditversicherern von Deutschland, Österreich und Schweiz auf der anderen Seite. Zur Sicherheit setzten die Vertragspartner auch noch ein Gremium von international anerkannten, unabhängigen Experten ein, um die Einhaltung der Auflagen zu überwachen.

Doch als die Experten jüngst ins Tigris-Tal reisten, um den Fortgang der Dinge zu kontrollieren, bekamen sie einen Schock. Von all den sorgfältig ausgearbeiteten Auflagen, die bis zum Baubeginn erfüllt sein sollten, ist kaum eine auch nur angegangen worden. Bei der Umsiedlung zum Beispiel haben die Behörden bisher nur eines gemacht - sie haben die Dörfler im Baugebiet enteignet. Die Bauern von Ilisu sind sauer, etwa der Bauer Mahmut Aykurt:

"Wir sind enteignet worden, und sie haben uns nicht den vollen Wert ausgezahlt. Für einen Obstgarten, der 20.000 Lira wert ist, zum Beispiel, haben sie uns nur 5000 Lira gegeben, also viel zu wenig. Alle im Dorf sind ruiniert. Von dem Geld, das wir für unser Haus bekommen haben, kriegen wir anderswo niemals ein Grundstück. Wir sind vor Gericht gegangen, aber das hat auch nichts gebracht. Die machen das doch unter sich aus."

Und auch die alte Bäuerin Bediya:

"Sie haben uns alle unsere Häuser und Felder genommen, aber uns viel zu wenig Geld dafür gezahlt. Aus Angst hat sich keiner gewehrt und geweigert, seinen Besitz herzugeben."

Selbst die türkischen Gerichte geben den Enteigneten darin recht. Einige Bauern haben geklagt, in fast allen Fällen haben sie recht bekommen. Um durchschnittlich 20 Prozent zu niedrig wurden die Dörfler demnach vom Staat für ihr Eigentum kompensiert. Schlecht sieht es auch mit dem versprochenen neuen Siedlungsort für Ilisu aus, berichtet Mahmut Aykurt:

"Sie wollen uns da drüben am Berg einen Platz zuweisen für ein neues Dorf, aber wir wollen das nicht, es ist uns zu weit. Wir wollen einen näheren Ort, aber ob wir ihn bekommen, wissen wir nicht. Eigentlich wollten wir den Platz, an dem sich die staatlichen Wasserwerke nun selbst niedergelassen haben, aber sie haben uns gesagt, der sei nicht geeignet, den geben sie uns nicht."

Wohin das Dorf nun umziehen soll, ist jedenfalls völlig offen. Dabei war in den Auflagen vereinbart, dass solche Fragen geklärt sind, bevor der Bau beginnt - und zwar zusammen mit den Betroffenen, und nicht über deren Köpfe hinweg. Ähnlich ist es mit fast allen anderen Auflagen. Von 35 Auflagen für die Umsiedlung seien bisher nur fünf zumindest teilweise erfüllt worden, stellt das Expertenkomitee in seinem kürzlich vorgelegten Bericht fest. Bei 26 Auflagen hätten die Arbeiten nicht einmal begonnen, zu den übrigen vier Auflagen konnten die Experten nicht genug Informationen bekommen. Von den Auflagen zum Umweltschutz ist bisher praktisch keine einzige erfüllt worden, wie die Experten feststellten.

Und beim versprochenen Schutz und Erhalt der Kulturgüter ist die Lage laut Expertenbericht fast aussichtslos: Für die Rettung der Kunstschätze in der historischen Stadt Hasankeyf ist noch nichts getan worden, andere menschheitsgeschichtlich bedeutende Orte im Flutungsgebiet konnte das Expertenkomitee nicht einmal besuchen - wegen der PKK-Präsenz hielten es die türkischen Behörden für zu gefährlich. Trotzdem gibt es auch Menschen in Ilisu, die mit der türkischen Umsiedlungspolitik zufrieden sind, wie der Bauer Ibrahim Cicek :

"Ich habe keine Beschwerden. Ich habe gutes Geld bekommen für mein Haus, meine Felder und meinen Obstgarten. Und was den Umsiedlungsort angeht, da sagen die meisten Leute hier, wir lassen uns auszahlen und gehen hin, wo wir wollen. Ich mache das auch so, ich habe mir von dem Geld schon eine Wohnung in Dargecit gekauft, in der Kreisstadt. Wenn das Dorf geräumt wird, ziehe ich da hin."

Wovon er in der Kreisstadt leben soll ohne sein Vieh, seine Felder und seine Obstbäume, darüber hat sich der Bauer freilich noch keine großen Gedanken gemacht:

"Ach, nun, Allah ist groß. Irgendwas wird sich schon finden."

Wahrscheinlich findet sich nichts. Alle Städte in Südostanatolien sind längst überfüllt mit verarmten und verelendeten Landflüchtlingen - Menschen, die vom PKK-Krieg, von der Armut oder von früheren Staudämmen aus ihren Dörfern vertrieben wurden. Ibrahim Cicek könnte in Dargecit ebenso gut nach Gold graben wie nach einem Arbeitsplatz suchen. Die Experten aus China, den USA und der Türkei selbst, die im Auftrag der Kreditversicherer die Einhaltung der Auflagen überwachen sollen, raufen sich die Haare. Alle Erfahrung zeige, dass die simple Bar-Auszahlung von Entschädigungen geradewegs in die Armut führe, betonen sie in ihrem Bericht.

Wenn das Geld ausgegeben ist, oft genug für Konsumgüter statt für Investitionsgüter, bleibt das Problem weiter bestehen, dass die enteignete Bevölkerung sich nicht mehr selbst ernähren kann. Laut Auflagen sollte die Türkei deshalb bis Ende letzten Jahres einen Plan vorlegen, wie der umgesiedelten Bevölkerung zu neuem Einkommen verholfen werden soll, sei es durch Umschulungen, Investitionen oder sonstige Maßnahmen. Von einem solchen Plan fanden die Experten bisher nicht einmal eine Skizze vor. In Ilisu hat man von so etwas noch nicht einmal gehört, sagt die Bauerstochter Rabia Kure:

"Wir wissen überhaupt nichts, uns sagt man nichts. Eine Versammlung oder eine Informationsveranstaltung hat es hier nicht gegeben. Einmal sind welche gekommen, haben gefragt, wie viele Leute im Haushalt wohnen und so, wegen der Umsiedlung, aber erklärt haben sie uns nichts."

Zwar zählt auch die Konsultation und Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung in den Umsiedlungsprozess zu den Auflagen für den Staudamm. Fast alle Bewohner von Ilisu klagen aber, dass sie nicht einmal informiert werden. Ob sie ihr Dorf in diesem oder im nächsten Jahr räumen müssen oder ob sie noch bleiben können, bis der Staudamm in sieben Jahren fertig ist, das weiß kein Mensch im Dorf. Nur über eines ist sich Mahmut Aykurt sicher:

"Wenn wir hier erstmal weg sind, dann wird sich niemand mehr um uns kümmern. Weg ist weg. Wir haben es ja schon gesehen bei der Verstaatlichung. Vorher hatten wir noch Hoffnung, dass wir zumindest vernünftig entschädigt werden, aber daraus ist nichts geworden. Um uns wird sich keiner kümmern, da bin ich ganz sicher."

Verbittert blicken die Dorfbewohner von Ilisu zur Dammbaustelle hinüber, die unterhalb vom Dorf am Flussufer liegt. Nicht aus grundsätzlicher Abneigung gegen den Damm sind sie verbittert, sondern aus enttäuschter Hoffnung. Viele hatten sich Hoffnung auf Arbeitsplätze gemacht, sagt die Hausfrau Sadet Celik:

"Aber die holen irgendwelche Leute von draußen zum Arbeiten, uns geben sie keine Arbeit. Immer nur die Reichen kriegen Arbeit, wir Armen bekommen keine Arbeit. Die können arbeiten, und wir gucken wieder in die Röhre."

Vom Dorf führt eine Schotterpiste hinab zum Flussufer, wo die Bauleitung direkt an der geplanten Staustelle ihre Baracke hat. Genervt ist man auch hier, zumal die Temperatur schon jetzt im April über 30 Grad liegt. Jedes Dorf jammere, dass es übergangen werde bei der Beschäftigung am Damm, sagen die Männer von der Bauleitung. Dabei sei nachweislich aus jedem Dorf mindestens ein Dutzend Arbeiter hier beschäftigt - mit Sozialversicherung und allem, wie die Verwaltungsleiterin betont. Die Männer in der Baubaracke sind überzeugt von ihrem Projekt, das Beschäftigung, Entwicklung und vor allem Energie bringen soll.

Außer Firmen aus Österreich, der Schweiz und der Türkei selbst will daran auch die Stuttgarter Baufirma Züblin mitverdienen. Deswegen die deutsche Kreditbürgschaft, die wegen der Schlamperei bei den Auflagen nun allerdings wieder auf der Kippe steht. Die Deutschen seien ungeduldig, sagt einer der Männer in der Baubaracke, sie verstünden die Bedingungen in Südostanatolien nicht.

"Wenn vereinbart ist, dass wir die Leute ausbilden, dann denken die, dass wir denen Computerkurse geben. Die verstehen nicht, dass wir denen dafür erst Lesen und Schreiben beibringen müssen."

Nicht nur die Deutschen, sondern alle drei Kreditversicherer haben der Türkei nun ein Ultimatum gestellt. Bis übermorgen, bis zum 30. April, soll Ankara einen Zeit- und Maßnahmeplan vorlegen und erklären, wie und bis wann die Türkei die bislang verschlampten Auflagen erfüllt haben will. Wenn die Antwort nicht zufriedenstellend ausfällt, will die Bundesregierung über Konsequenzen nachdenken, bis hin zum Ausstieg aus dem Projekt und der Rücknahme der staatlichen Kreditabsicherung. Die Drohung aus Berlin zeigt inzwischen erste Wirkungen.

Im historischen Städtchen Hasankeyf, das etwa 70 Kilometer stromaufwärts von Ilisu am Tigris liegt und teilweise im Stausee versinken soll, luden die türkischen Behörden die Bevölkerung vor zehn Tagen erstmals zu einer Informationsveranstaltung über ihre geplante Umsiedlung ein. Im Pausenhof der örtlichen Schule versammeln sich hunderte Bauern, Handwerker und Händler, um die aus Ankara angereisten Bürokraten anzuhören. Dass der Ort auf den Raman-Berg am gegenüberliegenden Ufer umgesiedelt werden soll, erfahren die Bewohner auf der Veranstaltung. Alles werde gut, verspricht ein Vertreter des Katastrophenschutzes:

"Für alle berechtigten Bürger dieser Stadt werden am neuen Siedlungsort neue Häuser gebaut, freistehende Häuser oder Wohnblocks je nach Wunsch. Auch Geschäfte und Werkstätten werden auf Wunsch in ausreichender Zahl eingeplant. Außerdem werden die nötigen Gebäude für Bildung, Gesundheit, Kultur und so weiter eingeplant. Ich bin der Ansicht, dass wir eine viel schönere Stadt bauen werden."

Mit einer empirischen Untersuchung wollen die Planer aus Ankara jetzt feststellen, wie die Menschen in Hasankeyf in ihrer neuen Stadt leben wollen. Die Menschen von Hasankeyf wollen aber über etwas anderes sprechen:

"Ich hätte mir gewünscht, dass man auf dieser Versammlung - oder, wenn das nun nicht geht, wie sie sagen, dann eben auf einer anderen Versammlung - mal darüber spricht, dass wir alle strikt gegen diesen Staudamm sind, denn wir hier in Hasankeyf sind alle gegen diesen Damm. (Applaus.)"

Für Grundsatzdebatten über den Staudamm und die Umsiedlung sei hier aber weder der Ort noch die Zeit, bescheiden die Planer vom Wasserbauamt, vom Katastrophenschutz und vom sozialen Wohnungsbau die Einwohner. Als die informationshungrige Einwohnerschaft aufbegehrt, platzt dem Versammlungsleiter, Landrat Osman Varol, der Kragen:

"Der Bau am Staudamm hat begonnen, wenn es das ist, was sie wissen wollen. Nicht am Damm selbst, aber an den Fundamenten, an der Infrastruktur, der Bau hat begonnen. Ich denke, das ist eine klare Antwort auf Ihre Frage. Und noch eine klare Aussage werde ich jetzt machen. Weitere solche Fragen, die mit dem Thema nichts zu tun haben und uns nur die Zeit stehlen, werde ich hier nicht mehr zulassen. So. Hat noch jemand Fragen zum öffentlichen Wohnungsbau?"

Die Wogen schlagen hoch auf der Versammlung im Schulhof, einmal stehen sogar zwei Dutzend kräftige Bauern aus der Menge auf und bewegen sich drohend auf das Podium zu. Der Landrat hat alle Mühe, die Situation in den Griff zu bekommen:

"Ruhig Blut, ruhig, Leute, regt euch nicht so auf. Was glaubt Ihr denn, warum diese Herren aus Ankara hierher gekommen sind? Sie sind doch da, damit alles richtig gemacht wird."

Die Kritik der internationalen Experten und die Mängel bei der bisherigen Umsetzung werden von den Bürokraten auf der Veranstaltung mit keinem Wort angesprochen. Gegenüber dem Deutschlandfunk räumt der Vertreter des Wasserbauamtes aber nach Veranstaltungsschluss ein, dass es diese Mängel gibt:

"Wir werden diese Schwächen überwinden, dazu sind wir ja hierher gekommen. Wir korrigieren diese Mängel, deshalb machen wir diese Versammlung."

Eine skeptischere Perspektive hat Diren Özkan, die Koordinatorin eines regionalen Widerstandsbündnisses gegen den Damm, deren kritische Fragen auf der Versammlung vom Landrat abgebügelt worden sind.

"Diese Veranstaltung ist einberufen worden, weil der Expertenbericht rügt, dass die Türkei die Auflagen nicht eingehalten hat, und eine der Auflagen ist es eben, die Bevölkerung zu informieren. Deshalb fangen die Behörden jetzt an, solche Versammlungen abzuhalten, und nicht um die Bevölkerung über die Enteignungen zu informieren. Im Dorf Ilisu ist die Enteignung schon fast abgeschlossen, aber da hat es keine Informationsveranstaltung gegeben. Das hier ist überhaupt die erste Informationsveranstaltung in der ganzen Region gewesen, seit das Konsortium aufgestellt wurde."

Dass die Informationsveranstaltung das direkte Ergebnis des Expertenberichts und des Drucks der Kreditgeber war, das glaubt auch Abdulvahaf Kusen, der Bürgermeister von Hasankeyf:

"Seit Jahren fordern wir Informationen über dieses Projekt, aber wir kommen an keine Informationen heran. Von den ganzen Arbeiten und Plänen erfahren wir einfach nichts. Jetzt haben wir zumindest hier ein paar Sachen erfahren, wenn es auch recht wenig war. Die Bürger dieser Stadt wissen nun zumindest ein bisschen darüber, was mit ihnen geschehen soll. Insofern war das schon wichtig, hier zu sein. Aber überzeugende Antworten haben wir nicht bekommen, teilweise sind wir noch verwirrter als zuvor. Dass es bei den Enteignungen und Verstaatlichungen auch Probleme geben wird, das ist sicher. Und in der neuen Siedlung werden wir wohl nicht glücklich werden, so wie es aussieht, das muss ich leider sagen."

Wird das Ultimatum der Kreditgeber weitere Nachbesserungen an der türkischen Umsiedlungspolitik bewirken, kann die Türkei die Auflagen doch noch erfüllen? Diren Özkan, die Koordinatorin des Widerstandsbündnisses, ist pessimistisch:

"Die europäischen Kreditgeber haben ihre Auflagen doch gemacht, damit bei diesem Damm nicht wieder dieselben Fehler gemacht werden wie bei den früheren Dämmen. Aber die Türkei erfüllt diese Auflagen nur auf dem Papier, nicht in Wirklichkeit, das sehen wir genau."

Als MP3 anhören