Neues Deutschland, 18.03.2008

Ilisu-Projekt wird zur Nagelprobe

Von Martin Ling

Die entwicklungspolitische Glaubwürdigkeit der Bundesregierung steht auf dem Spiel. Die von ihr selbst beauftragte internationale Expertenkommission hat dem Ilisu-Staudamm-Projekt in der Osttürkei ein vernichtendes Urteil ausgestellt. Demnach straft die Türkei fast alle der 153 Auflagen mit Missachtung und führt entgegen getroffener Absprachen Massenenteignungen durch.

Von Anfang an stieß das Projekt bei Umweltschützern, Archäologen und Menschenrechtlern auf Ablehnung. Denn durch die geplante Überflutung der 10 000 Jahre alten Felsenstadt Hasankeyf werden Kulturdenkmäler, 55 000 Anwohner und Umwelt allesamt in Mitleidenschaft gezogen. Trotzdem gaben – unter besagten Auflagen – Schweiz, Deutschland, und Österreich im März 2007 grünes Licht für Exportgarantien, die den beteiligten Unternehmen aus den drei Ländern ein risikoloses Geschäft ermöglichen sollen.

Noch unter Rot-Grün war die Reform der staatlichen Exportversicherung Hermes vollmundig angekündigt worden – ohne Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards sollte künftig nichts mehr gehen. Doch in der 2001 verabschiedeten Reform blieb von all den hehren Vorsätzen in den nach langem Tauziehen verabschiedeten Leitlinien kaum etwas übrig. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte sich gegen das Entwicklungsministerium bei den Verhandlungen eindeutig durchgesetzt. Für Ersteres gilt weiterhin, dass jede Bürgschaft gut ist, wenn sie den deutschen Exporteuren hilft. Ohne wenn und aber. Wenn die Bundesregierung in Sachen Ilisu nun nicht schleunigst aus dem Projekt aussteigt, zeigt sie einmal mehr, dass ihr Umwelt- und Sozialstandards im Zweifel egal sind. Die Nagelprobe steht bevor.