Die Presse, 14.03.2008

Kontrollbank: Staudamm Ilisu an der Kippe

Scholten: „Finanzierung der Kontrollbanken kritisch“

WIEN (cim). Das Staudamm-Projekt Ilisu in der Türkei könnte scheitern. Die Regierung muss 150 soziale und ökologische Auflagen erfüllen. Laut jüngstem Expertenbericht sei das bisher nicht oder nicht ausreichend geschehen.

Damit wackelt die Finanzierung. Die Maßnahmen sind Bedingung für die Haftung der Österreichischen Kontrollbank über rund 250 Mio. Euro. Konsortialführer bei dem Projekt österreichischer, deutscher, Schweizer und türkischer Unternehmen ist Andritz/VA Tech Hydro.

Der Staudamm würde den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und Irak aufstauen und dabei die Stadt Hasankeyf überfluten. Über 50.000 Menschen müssten umgesiedelt werden. Die sozialen und ökologischen Auswirkungen wären verheerend, warnen NGOs.

„Bei den Auflagen haben wir kaum Spielraum für Kompromisse“, sagt Kontrollbank-Chef Rudolf Scholten. Allerdings sei noch genug Zeit, um Versäumtes nachzuholen. „Kommt von türkischer Seite keine Bewegung, wird es schwierig“, so Scholten.

„Der Expertenbericht zeigt klar: Die Auflagen können nicht mehr erfüllt werden“, sagt Ulrich Eichelmann von der ECA-Watch Österreich, der Plattform protestierender Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Selbst die Kontrollbanken seien nicht ausreichend informiert, heißt es. So hätten deren Experten erst durch NGOs von laufenden Enteignungen erfahren.

Steigen die Europäer aus, würden sofort chinesische Investoren einspringen, die auf jegliche Auflagen verzichten würden, gibt Scholten zu bedenken. Die türkische Regierung will den Damm aus politischen Gründen aber unbedingt mit Europäern bauen.

Nach Einschätzung der NGOs würde China so schnell nicht einsteigen. „Ohne Kontrollbanken wäre das Projekt für Jahre tot“, sagt Eichelmann. Nächste Woche treffen sich Bauherren und Financiers in Ankara um das weitere Vorgehen zu verhandeln. Über die Finanzierung soll es laut Scholten noch im April Klarheit geben. Geplanter Baubeginn ist im Mai.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2008)