Die Presse, 04.05.2007

Türkei: Lässt Damm den Irak austrocknen?

MICHAEL LOHMEYER

Iraks Regierung fürchtet „desaströse Auswirkungen“ durch aufgestauten Tigris.

WIEN. In einem Brief an EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner drängt Bagdads Außenminister Hoshiyar Zebari darauf, bei der türkischen Regierung zu intervenieren. Thema: der Streit um den Ilisu-Staudamm am Tigris im Kurdengebiet der Türkei. Im März hat die Österreichische Kontrollbank (ÖKB) eine Exportgarantie abgegeben – unter anderem, um das 230 Millionen Euro-Engagement der VA Tech Hydro abzusichern. Die Exportkreditbanken der Schweiz und Deutschlands geben für Aufträge am Ilisu-Staudamm auch Absicherungen.

In dem der „Presse“ zugespielten Brief führt der irakische Minister aus, dass es die Türkei verabsäumt habe, mit dem Irak und Syrien über das Projekt zu verhandeln – insbesondere über die Restwassermengen. Statt bisher 20,93 Milliarden Kubikmeter jährlich fließen im Flussbett des Tigris nach Fertigstellung des Dammes demnach nur noch 9,7 Milliarden Kubikmeter Wasser über die türkisch-irakische Grenze – also weniger als die Hälfte.

Ausweitung der Wüsten

„Das wird desaströse Auswirkungen auf alle Lebensbereiche im Irak haben“, heißt es in dem Brief des Ministers. Konkret sei mit Rückgängen in der landwirtschaftlichen Produktion zu rechnen, ebenso mit der Ausweitung von Wüsten. „Es wird mehr Sandstürme geben.“ Und: „Wir hoffen auch, dass Eure Exzellenz alle Anstrengungen unternimmt, um zu verhindern, dass Europäische Institutionen und Firmen das Ilisu-Projekt unterstützen, solange es nicht ein Übereinkommen mit Syrien und dem Irak über das Wassermanagement gibt.“

Die Sprecherin von EU-Kommissarin Ferrero-Waldner: „Ja, der Brief existiert. An der Antwort wird noch gearbeitet.“ Bereits vor einigen Wochen hat die Patriotische Union Kurdistans, dessen Gründer Iraks Staatspräsident Jalal Talabani ist, einen offenen Brief an Mitglieder der Regierung in Wien gerichtet und das österreichische Engagement kritisiert. Das türkische Kurdengebiet gilt als politisch instabil.

Finanzminister Wilhelm Molterer (VP) hatte sich zum Kredit nicht zu Wort gemeldet, Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter (SP) das Projekt verteidigt.

Trotz Unterstützung für das Projekt durch Österreich, die Schweiz und Deutschland geben Umwelt- und Menschenrechtsgruppen ihren Widerstand nicht auf: in Österreich vor allem WWF, Eca-Watch und das Forum österreichischer Wissenschaftler für den Umweltschutz. Karlheinz Baumgartner, Pfarrer in Tirol, will den Damm „in den Kirchen zum Thema machen. Ich bin bestürzt über Österreichs Rolle.“

Für den Sprecher des Ilisu-Errichtungskonsortiums (und von VA Tech Hydro) sind derartige Äußerungen nicht nachvollziehbar. Der Staudamm sei „eines der am besten überprüften Großprojekte seiner Art“ und bringe nicht nur der „bisher wirtschaftlich benachteiligten Region“, sondern auch „den dort lebenden Menschen Vorteile“.