junge Welt, 28.03.2007

Profit statt Menschenrechte

Bundesregierung vergibt Hermesbürgschaften für Staudammbau in der Türkei. 55000 Menschen werden vertrieben

Von Nick Brauns

Deutschland wird den Bau des umstrittenen Ilisu-Staudammes in der Osttürkei mit Exportrisikogarantien in Höhe von rund 200 Millionen Euro absichern. Mit dieser vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am Montag bekanntgegebenen Zusage beugte sich die Bundesregierung einem Ultimatum der türkischen Regierung. Diese hatte angedroht, die Aufträge an andere Länder zu vergeben, wenn bis Ende März keine definitive Zusage vorliege. Seit der ersten Grundsatzzusage vom November 2006 seien Projektverbesserungen erreicht worden, die eine endgültige Zusage rechtfertigten, verlautete aus dem Ministerium.

Auch Österreich und die Schweiz haben Exportrisikogarantien zugesagt. Der Gesamtauftragswert für Baufirmen der drei Länder beläuft sich auf 1,2 Milliarden Euro.

Durch den Ilisu-Staudamm am Oberlauf des Tigris 65 Kilometer vor der türkisch-syrischen Grenze werden 55 000 Menschen ihre Existenzgrundlage in der Landwirtschaft verlieren und in die Slums der umliegenden kurdischen Großstädte Diyarbakir und Batman vertrieben. Neben 95 Dörfern wird auch die Jahrtausende alte mesopotamische Stadt Hasankeyf in den Fluten versinken.

Irak und Syrien seien umfassend von der Türkei über das Staudammprojekt informiert worden, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. Tatsächlich aber hatten die Anrainerstaaten, die durch das Aufstauen des Tigriswassers politisch erpreßbar werden, ebensowenig ein Mitspracherecht wie die Bevölkerung im Überflutungsgebiet, die den Dammbau laut Umfragen zu 80 Prozent ablehnt. Der Gouverneur der Provinz Mardin hatte die Staudammkritiker zu Helfern von Terroristen erklärt. Die türkische Regierung will den Dammbau mit 5000 Soldaten gegen den Widerstand der Bevölkerung und angedrohte Angriffe der kurdischen Guerilla absichern.

Erst am vergangen Freitag hatten Staudammgegner, darunter die Menschenrechtsaktivistin Bianca Jagger und die deutschen Linksparteiabgeordneten Hüseyin Aydin und Lutz Heilmann, einen »Park der Hoffnung und Solidarität« im Flutungsgebiet eingeweiht.