Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.03.2007

Türkisches Ultimatum

Deutschland muß über Kreditgarantie für Staudamm entscheiden

Her. ISTANBUL, 28. Februar. Die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz müssen bald entscheiden, ob sie für den Bau des umstrittenen Wasserkraftwerks Ilisu im Südosten der Türkei Exportkreditgarantien zur Verfügung stellen. Die Exportkreditversicherer Hermes, Österreichische Kontrollbank und FERV hatten im Dezember eine prinzipielle Zustimmung gegeben, sie aber an die Erfüllung von Auflagen durch das Baukonsortium geknüpft. Nun müssen die drei Exportkreditversicherer feststellen, ob diese Auflagen erfüllt sind. Ihr Inhalt wurde nicht bekannt gegeben, doch sie betreffen den Umweltschutz, die Umsiedlung sowie die Auswirkungen auf die Nachbarn Syrien und Irak. 95 Dörfer werden vollkommen unter dem Wasser verschwinden, unter anderem die historische Stadt Hasankeyf, 55 000 Menschen sollen umgesiedelt werden.

Den Nachbarstaaten hat die türkische Regierung "Bona-fide-Konsultationen" zum geplanten Staudamm angeboten, um technische Details und Fragen wie den Wasserdurchlauf zu besprechen, ohne indes das Projekt als solches in Frage zu stellen oder neu zu verhandeln. Damaskus und Bagdad sind zu diesen Konsultationen aber nicht bereit und stellen das Projekt ganz in Frage. Nun haben die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz zu entscheiden, ob die Türkei mit ihrem Angebot ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllt hat.
Bei den Krisengesprächen, die die beteiligten Bauunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz am 23. Januar in Ankara mit der türkischen Regierung geführt hatten, hatten sich die Beteiligten auf den 30. März als Stichtag geeinigt, bis zu dem die Finanzierung mit den Bürgschaften vorzulegen ist. Andernfalls will die türkische Regierung das Projekt neu ausschreiben. Erstmals hatte der Bauträger, die "Staatlichen Wasserwerke" (DSI), das Konsortium am 29. Dezember aufgefordert, die Bürgschaften bis zum 19. Januar beizubringen. Aufgrund der Zeitknappheit wäre das Projekt fast gescheitert. Ein Ultimatum hat die türkische Regierung aus zwei Gründen gestellt. Zum einen will sie den Baubeginn für das Projekt wegen der drohenden Stromknappheit nicht weiter hinauszögern. Zum anderen befindet sich das Land im Wahlkampf, und die Opposition wirft der Regierung vor, sie vertrete türkische Interessen nicht hart genug. Das Oberste Verwaltungsgericht hat zwar am 9. Februar einer Klage stattgegeben, dass die Vergabe des Auftrags gegen heutiges Ausschreibungsrecht verstoße. Da bei der Vergabe aber noch anderes Recht gegolten hat, gilt es als unwahrscheinlich, dass das Urteil einen Einfluss auf den Baubeginn haben könnte.

Text: F.A.Z., 01.03.2007, Nr. 51 / Seite 5