Der Standard, 27.02.2007

Ilisu: WWF fordert Ausstieg der österreichischen Regierung

NGOs fordern erneut die österreichische Bundesregierung auf, dem Projekt eine endgültige Absage zu erteilen, Molterer: Entscheidung fällt in nächsten Tagen

Wien/Ankara - Die Türkei habe den Regierungen Österreichs, Deutschlands und der Schweiz ein Ultimatum zur Unterstützung des Kredits für das umstrittene Ilisu-Staudamm-Projekt gestellt und eine "letzte Warnung" ausgesprochen, hieß es heute von Seiten des World Wildlife Fund (WWF) und "ECA Watch" (export credit agencies). Die NGOs beriefen sich auf die türkische Zeitung "The New Anatolian". Sollte es bis zum 30. März keine endgültige Zusage über die Garantie der Exportkredite vom österreichischen Finanzminister geben, dann seien alle Verträge hinfällig, hieß es. Außerdem werde in der Türkei laut der kurdischen ANF (Firat News Agency) die "Sicherheit der Bauarbeiten", die durch 5000 Soldaten gewährleistet werden soll, diskutiert. Die Ankündigung der türkischen Regierung, die Militärpräsenz am Tigris deutlich zu verstärken, zeige, wie umstritten der Staudamm auch in der eigenen Bevölkerung sei, heißt es in der Aussendung weiter.


Der WWF und ECA Watch forderten die österreichische Bundesregierung und besonders Finanzminister Wilhelm Molterer auf, dem Projekt eine endgültige Absage zu erteilen. "Österreich darf kein Projekt unterstützen, das nur mit massiver Militärpräsenz und mit groß angelegten Zerstörungen der Natur und Kultur in der Türkei verwirklicht werden kann, nur damit eine österreichische Firma Millionen verdient", so der WWF-Kraftwerksexperte Ulrich Eichelmann und spricht von einem Erpressungsversuch.

Ilisu-Konsortium: Es gibt kein Ultimatum

Verwundert reagierte der Sprecher des Ilisu-Konsortiums Alexander Schwab auf die Aussendung. "Es gibt kein Ultimatum der Türkei an wen auch immer", so Schwab. "Das kann nur ein Missverständnis sein. Wie in jedem Projekt dieser Größe gab und gibt es Terminpläne und Fristenläufe zu den verschiedensten Themenbereichen. Einige davon sind bereits abgehandelt, andere sind noch in Arbeit." Das Projekt Ilisu werde laut Schwab nach wie vor von den zuständigen Stellen in Österreich, Deutschland und der Schweiz geprüft. "Basierend auf der positiven Grundsatzentscheidung der drei Exportkreditagenturen vom vergangenen Dezember rechnen wir damit, dass die Prüfverfahren im März positiv abgeschlossen sind", sagte Schwab. Zudem sei das Klima zwischen Vertretern der Türkei und Österreichs ausgezeichnet. Erst vergangene Woche habe die türkische Seite in Ankara ihren Dank an die österreichische Regierung für die gute Zusammenarbeit beim Projekt Ilisu ausgesprochen.

30 Kriterien

Nach Angaben des österreichischen Finanzministeriums müsse die Türkei 30 Kriterien erfüllen, bevor die endgültige Entscheidung getroffen werde, so der WWF. Diese "nicht transparente Auflagen-Überprüfung" hat die SPÖ-Bereichssprecherin für Umwelt und Globale Entwicklung, Petra Bayr, kritisiert. "Genau damit wird aber ein zeitgerechter Einspruch seitens externer Spezialisten, Nichtregierungsorganisationen etc. - kurz: der informationsberechtigten Öffentlichkeit verunmöglicht", so Bayr laut SPÖ-Pressedienst. Eine zu Jahresende eingebrachte parlamentarische Anfrage an den Finanzminister sei sehr "unzufriedenstellend" ausgefallen, heißt es in einer Aussendung vom Dienstag.

Molterer: Entscheidung fällt in den nächsten Tagen

Das Finanzministerium wird laut APA "in den nächsten Tagen" über die Exportkreditgarantien für das Projekt entscheiden. "Wir entscheiden in den nächsten Tagen ob die Bedingungen so geortet sind, dass wir aus der Promesse zu einer endgültige Unterstützung kommen können", sagte Vizekanzler, Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) am Rande des Finanzministertreffens in Brüssel. Das Projekt werde "vernünftig entschieden werden".

Die von der Österreichischen Kontrollbank (OeKB) verlangten Auflagen seien, "so vielfältig und so tiefgehend, dass wir selbstverständlich auch die Anforderungen, die aus Umweltsicht notwendig sind, und die ich teile - erfüllen können", sagte Molterer. Er gehe davon aus, dass das Illisu-Projekt auf jeden Fall realisiert werde, "wenn nicht mit den Auflagen" dann von jemandem anderen, der diese Auflagen nicht habe, so Molterer. Zu angeblichen Ultimaten der türkischen Regierung an Österreich, die Schweiz und Deutschland für eine Entscheidung über die Unterstützung sagte Molterer, er halte sich an die vereinbarten Termine.

Die Beteiligten

Die OeKB soll als Treuhänderin der Republik für Exportgarantien im Ausmaß von 200 Millionen Euro für das Staudamm-Projekt übernehmen. Konsortiumsführer des 1,2 Mrd. Euro schweren Projekts in Südostanatolien ist die österreichische Andritz AG, zu der heute die VA Tech Hydro gehört, mit im Boot sind indirekt der österreichische Baukonzern Strabag über die deutsche Mehrheitsbeteiligung Züblin sowie das Schweizer Unternehmen Alstom. Die Schweizer Regierung hat Mitte Dezember grünes Licht für die Übernahme von Exportkredithaftungen gegeben. Die am Projekt beteiligten vier Schweizer Unternehmen erhalten eine Exportrisikogarantie über 225 Mio. Franken (141 Mio. Euro). Spatenstich für das Projekt war im August 2006.

Die Bundesregierung und insbesondere Finanzminister Molterer dürften sich nicht unter Druck setzen lassen, so Ulrike Lunacek, außenpolitische Sprecherin der Grünen. Sie fordert Molterer "dringend auf, bei Nichterfüllung der Kriterien - und diese sind noch lange nicht absehbar - keine Garantie für dieses von Anfang an umstrittene Projekt zu vergeben." Österreich dürfe sich nicht der Mithilfe bei Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen schuldig machen, so Lunacek in einer Presseaussendung. Die Abgeordnete kündigte an, im morgigen außenpolitischen Ausschuss auch eine Stellungnahme der Außenministerin zum Ilisu-Projekt einzufordern. (APA/red)