Kurier, 07.12.2006

Wien im Zentrum des Staudammprojekts

Heftiges Werben für und gegen den Staudammbau im türkischen Ilisu, an dem die heimische Andritz VA Tech Hydro beteiligt ist.

Wien - Gegner und Befürworter eines Staudammbaus im türkischen Ilisu haben am Donnerstag in Wien mobil gemacht.

An dem geplanten Projekt von 1,2 Mrd. Euro ist die heimische Andritz VA Tech Hydro mit 230 Mio. Euro beteiligt, der endgültige Projektstart steht noch aus. Strittig sind die Umsiedlung von 11.000 Menschen, die Rettung des historisch wertvollen Ortes Hasankeyf und die Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt sowie auf die Nachbarstaaten Syrien und Irak.

Für Ahmet Akdeniz, Initiator einer Bürgerinitiative "rettet Hasankeyf", ist nur mit dem zweckgewidmeten Geld rund um das Projekt der Erhalt von Hasankeyf gesichert. Sonst würden die historischen Bauten "in zwei Jahren verfallen". Rund 20 Prozent des historischen Ortes werden durch den Stausee überschwemmt, sollen aber abgetragen und in der Nähe in einem "Kulturpark" neu aufgebaut werden. Dem hält für die Staudammgegner der Archäologe Ahmet Yaras entgegen, dass es - archäologisch wie ethisch - nicht zulässig sei, historische Stätten woanders neu aufzubauen. So etwas zu tun sei ein "Menschenverbrechen" und "ignorant und unsensibel".

Wirtschaftliche Auswirkungen

Sehr umstritten sind die wirtschaftlichen Auswirkungen. Befürworter wie der Abgeordnete Nihat Eri oder der türkische Projektverantwortliche Yunus Bayraktar gehen davon aus, dass beim Bau 4.000 Menschen direkt und weitere 4.000 indirekt beschäftigt wären. Bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von zehn Personen könnten so bis zu 80.000 Menschen vom Bau profitieren. Es würden Straßen und Schulen gebaut. Dadurch würden auch langfristig die Menschen profitieren.

Dem widerspricht der Bürgermeister der regionalen Millionenstadt Diyarbakir, Osman Baydemir, der am Donnerstag in Wien mit der Dritten NR-Präsidentin Eva Glawischnig zusammentraf. Die Beschäftigungseffekte seien nur kurzfristig, die Menschen hätten von den bisherigen Staudamminvestitionen in der Region kaum profitiert, die Arbeitslosigkeit sei seither gestiegen. Auch der Staudamm Ilisu sei nicht geeignet, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das Geld sollte lieber in den Tourismus und in einen internationalen Flughafen investiert werden.

Politisch motiviert?

Der türkische Botschafter Selim Yenel hält den Staudammgegnern auch vor, aus parteipolitischen Erwägungen gegen das Projekt zu sein und bewusst die Menschen unterentwickelt halten zu wollen, um sie besser instrumentalisieren zu können. Das weist Baydemir weit von sich. "Unser Verhalten ist nicht politisch motiviert" beteuert er.

Während Vertreter des WWF geltend machen, dass der Fluss Tigris durch den neuen Staudamm "auf 400 km Länge zerstört" würde, sagen die Projektbefürworter, dass durch den Damm die Durchflussmenge reguliert wird. In der Regenzeit werde das Wasser gesammelt, in der Trockenzeit für die Stromproduktion abgelassen.