junge Welt, 17.11.2006 Ankara koppelt Osttürkei ab Keine staatliche Hilfe für die kurdischen Gebiete nach schwerer Flutkatastrophe. Breite Solidarität der Bevölkerung mit den Betroffenen Von Nick Brauns Rund zwei Wochen nach der Flutkatastrophe in der Osttürkei warten die Opfer weiterhin vergeblich auf staatliche Hilfe. Allerdings hat sich, wie die kurdische Nachrichtenagentur DIHA am Mittwoch meldete, Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan dazu durchgerungen, die betroffenen Gebiete immerhin mit einem Besuch zu beehren. Vermutet wird, daß hinter seinem Ansinnen weniger die Sorge um die Betroffenen steht als vielmehr Sympathiewerbung in eigener Sache, war doch die Wut in der Region angesichts der Tatenlosigkeit Ankaras in den vergangenen Tagen weiter gewachsen. Mehr als 40 Menschen waren Anfang November bei den Überschwemmungen nach schweren Unwettern ums Leben gekommen. Tausende wurden obdachlos und leben seitdem in Zelten, Turnhallen, Moscheen oder bei Verwandten in schon vorher überfüllten Wohnungen. Am schlimmsten betroffen sind Elendsviertel kurdischer Kriegsflüchtlinge in den Provinzen Batman und Diyarbakir. Allein in Batman wurden über 12 000 Häuser beschädigt. Lehmhütten am Flußbett des Tigris wurden regelrecht weggespült. Der materielle Schaden vor allem in den Städten der wirtschaftlich unterentwickelten Region mit einer Arbeitslosenrate von bis zu 80 Prozent ist immens. Tausende Tiere starben in den Fluten, auf vielen Feldern wurde das Saatgut für das kommende Jahr vernichtet. Da es sich bei der betroffenen Region um eine Hochburg der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) handelt, sah die Regierung in Ankara offensichtlich keinen Handlungsbedarf. Premier Erdogan nannte die Hilferufe der Betroffenen »übertrieben« und Gesundheitsminister Recep Akdag weigerte sich, die Gegend zum Notstandsgebiet zu erklären und so die Aufräumarbeiten zu beschleunigen. Die von der legalen kurdischen Partei für eine Demokratische Gesellschaft (DTP) geführten Stadtverwaltungen versuchen nun, die Not aus eigener Kraft zu lindern. Unter der Bevölkerung werden Lebensmittel, Kleidung und Möbel gesammelt. Die Spendenkampagne habe das Bewußtsein für Solidarität in der Bevölkerung erhöht, erklärte Zümeyra Oguz von der DTP. Auch politische Gefangene im F-Typ-Gefängnis Bolu spendeten das wenige Geld, das sie von Angehörigen für den eigenen Gebrauch bekommen haben, für die Opfer der Flutkatastrophe. Die Informationsstelle Kurdistan (ISKU) in Hamburg ruft ebenfalls zu Geldspenden auf. Die Spenden werden an die Anwaltskammer in Batman weitergegeben, die ein spezielles Konto für Flutopfer eingerichtet hat. Informationsstelle Kurdistan
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