Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.08.2006

Glosse Politik

Vor dem Untergang

24. August 2006
wgl. Schon vor Jahren versank die antike Stadt Samosata - Kapitale des kleinen Reiches von Kommagene - in den Fluten des Atatürk-Stausees im Südosten der Türkei. Proteste der Archäologen hatten nichts gefruchtet. Dasselbe Schicksal wird wohl in einiger Zeit die uralte orientalische Stadt Hasankeyf ereilen, wenn ein weiterer Staudamm fertiggestellt sein wird. Hasankeyf (oder Hisn-i Kaifa) beherbergt wertvollste Zeugen einer Vergangenheit, die bis in das Neolithikum hinabreicht, dazu alte Moscheen und Karawansereien. Unlängst hat Ministerpräsident Erdogan den Grundstein für den neuen Damm gelegt. Die schon seit Jahren betriebenen Einsprüche von Wissenschaftlern und Bürgerinitiativen werden wohl kaum noch verhindern, daß Hasankeyf in einer modernen Sintflut ausgelöscht wird. Die kahle Region soll landwirtschaftlich erschlossen werden, durch 22 Talsperren künstlich bewässert. Europa habe so etwas getan, heißt es, warum nicht auch die Türkei? Es ist ein altes Dilemma zwischen materiellem Fortschritt und kulturellem Bewahren. Wenigstens sollen einige der wertvollsten Gebäude abgetragen und an anderer Stelle der Öffentlichkeit gezeigt werden. Abu Simbel läßt grüßen.