azonline.ch, 5.8.2006

Spatenstich für umstrittenen Tigris-Staudamm

Von Protesten begleitet hat die türkische Regierung das Startsignal für den umstrittenen Bau des Ilisu-Staudamms gegeben. Der Stausee würde über 10 000 Menschen vertreiben und die archäologisch bedeutende Stadt Hasankeyf überschwemmen.

Die 1820 Meter lange und 135 Meter hohe Staumauer im Südosten der Türkei soll in sieben Jahren fertiggestellt sein. Der Ilisu-Stausee am Tigris würde dann mit über 300 Quadratkilometer etwa die Fläche des Kantons Schaffhausen bedecken.

Bedroht vom zweitgrössten Stausee der Türkei ist die idyllisch am Oberlauf des Tigris gelegene, archäologisch bedeutende Stadt Hasankeyf. In der mehr als 10 000 Jahre alten Stadt versammelten sich am Wochenende Umweltschützer und Bürgermeister der Region, um gegen das 1,2 Milliarden Euro (1,9 Mrd. Fr.) teure Grossprojekt zu demonstrieren.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verteidigte das Bauvorhaben bei der Feierstunde am künftigen Bauplatz mit dem wachsenden Energiebedarf des Landes. Zwei Drittel des Energiepotenzials der Türkei seien bis heute ungenutzt.

Für Bewahrung und Rettung der historischen Kulturdenkmäler in Hasankeyf würden insgesamt 60 Millionen Euro bereitgestellt. Die Regierung plant, einige der von der Überflutung bedrohten historischen Bauten in einem «Kulturpark» an anderer Stelle wieder aufzubauen.

Mit dem Bau des Staudamms knapp 50 Kilometer vor der syrischen Grenze müssen mehr als 10 000 Menschen umgesiedelt werden. Sie leben bisher von Landwirtschaft und Viehzucht oder vom Tourismus.

Archäologen befürchten vor allem den Verlust eines «Ensembles an mittelalterlichen islamischen Bauten», das «in dieser Dichte kein zweites Mal in Anatolien anzutreffen ist».

Mit dem Spatenstich vom Samstag begannen die umfangreichen Vorarbeiten zur Schaffung der nötigen Infrastruktur, wie Strassen und eine Brücke über den Tigris. (sda)