junge Welt, 26.05.2004

Proteste in Den Haag

Nuriye Kesbir weiter im Hungerstreik

Seit nunmehr genau 20 Tagen befindet sich die im Gefängnis von Breda/Niederlande inhaftierte kurdische Politikerin Nuriye Kesbir in einem zeitlich unbegrenzten Hungerstreik. Die aus dem Ort Besiri im Südosten der Türkei stammende Frau protestiert gegen ein Urteil des Obersten Gerichtshofs in Den Haag, das ihre Auslieferung an die Türkei ermöglicht (siehe jW vom 19. Mai). Seitens des türkischen Staats werden ihr Aktivitäten für die Guerilla der verbotenen und mittlerweile aufgelösten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorgeworfen. Kesbir, deren Familie wegen der Verfolgung ihres yezidischen Glaubens aus der Türkei flüchtete, gehört heute zum Exekutivkomitee der Volkskongresses Kurdistan (Kongra-Gel). Sie befindet sich nun nach Angaben der Hamburger Informationsstelle Kurdistan (isku), über die auch nebenstehende Protestpostkarte an den niederländischen Justizminister erhältlich ist (isku@nadir.org), »in Totalisolation« und werde rund um die Uhr per Kamera überwacht: »Stifte, Blätter, Zeitung, Fernsehen und Radio wurden ihr verboten, ebenso Telefonate oder der Empfang von Besuch.«

Am vergangenen Wochenende hatten in Den Haag Tausende Kurdinnen und Kurden aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland gegen die geplante Auslieferung demonstriert. Während einer Kundgebung der Föderation der Kurdischen Vereine in Holland (FED-KOM) sprachen unter anderem Vertreter der Sozialistischen Partei Hollands und der Grünen, derweil auf Transparenten »Freiheit für Nuriye Kesbir« gefordert und verlangt wurde, daß Holland nicht »das Massaker am kurdischen Volk« unterstützen solle. Insbesondere warnten Transparente und Losungen vor den Folgen einer eventuellen Abschiebung der Kurdin in den Folterstaat Türkei. Zwar hatte das Berufungsgericht in Den Haag am 9. Mai als Bedingung für die Auslieferung eine Garantie der Türkei verlangt, daß die Betroffene »gerecht behandelt« und »keine Folter« angewandt wird, doch dürften entsprechende Zusicherungen angesichts in der Türkei gängiger Praktiken wenig glaubhaft wirken. Also drängt sich die Frage auf, aus welchen Gründen die Niederlande zu dem Urteilsspruch gelangten, zumal ursprünglich der Auslieferungsantrag der Türkei durch ein Amsterdamer Gericht zurückgewiesen worden war. Ali Sacik vom Vorstand der »Union der Yeziden Europas« zumindest vermutete gegenüber junge Welt »schmutzige Verhandlungen« zwischen den beiden Staaten. (jW)