Özgür Politika, 12.12.2002

Öcalan-Anwalt: Neues Konzept

Von FIRAZ BARAN / MHA

Auch gestern wieder wurde der Verteidigerbesuch beim KADEK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan, der auf der Gefängnisinsel Imrali unter verschärften Isolationsbedingungen inhaftiert ist, mit fadenscheinigen Begründungen verhindert. Insgesamt wurde im Jahr 2002 der Besuch bisher 16 Mal nicht gestattet. Der KADEK hat eine Kampagne zur Verbesserung der Haftbedingungen seines Vorsitzenden gestartet. Der türkische Generalstab hat dagegen die Anweisung an Premierminister Abdullah Gül weitergeleitet, Öcalans Bedingungen nicht zu verbessern.

Gegenüber MHA erklärte Irfan Dündar als einer der Verteidiger Öcalans, sie seien mit einem neuen Konzept konfrontiert. In den letzten drei Monaten habe der Besuch neun Mal nicht stattfinden können. „Herr Öcalan ist eine Persönlichkeit, die Einfluss ausübt auf die Türkei und den Mittleren Osten. Um diesen Einfluss zunichte zu machen, ist ein neues Konzept entwickelt worden. Wir befinden uns in einer Zeitphase, in der viel über eine bevorstehende Irak-Operation gesprochen wird. An dieser Angelegenheit sind internationale Kräfte beteiligt. Es handelt sich dabei um eine ganze Liste von Kräften, die von den kurdischen Kollaborateuren im Irak bis zur NATO reicht. Dieses Bündnis macht die Vorschläge und die Türkei nimmt sie an und vollstreckt sie.“

Keine Antwort

Von Beginn an sei nicht die Justiz für seinen Mandanten zuständig gewesen, sondern die Politik, so formuliert Dündar. Selbst die Verfassung sei missachtet worden: „Die Souveränität der Justiz, die von Staatspräsident Sezer immer betont wird, muss für jeden gelten, ohne Unterschied. Wir plädieren für eine Garantie der bestehenden Rechte. Die Rechte von Herrn Öcalan werden jedoch in allen Bereichen beschnitten. Das bedeutet, dass auch die Verfassung verletzt wird. Vor dem Recht sollten alle Menschen gleich sein. Die unterschiedliche Behandlung ist durch nichts zu rechtfertigen.“ Die Verteidiger haben ein Gesuch auf ein neues Boot, einen Hubschrauber oder eine Besuchgenehmigung an anderen Tagen gestellt, aber das Verteidigungsministerium hält es nicht einmal für nötig, darauf zu antworten.

16 Mal Besuch verhindert

Die Verteidigung Öcalans hat einmal wöchentlich, mittwochs, das Recht auf einen einstündigen Besuch. Im Jahre 2002 hat der Besuch 31 Mal stattgefunden, 16 Mal wurde er verhindert. Wegen der Verschärfung der Isolation, in der sich Öcalan befindet, hat der KADEK (Kurdistan Kongress für Freiheit und Demokratie) am 10. Dezember als dem Internationalen Tag der Menschenrechte eine Kampagne zur Verteidigung der Rechte des Vorsitzenden Apo gestartet, die bis zum 15. Februar 2003, dem Tag der Entführung Öcalans vor vier Jahren, andauern wird.

Wie die Verteidiger mitteilten, sei der Gesundheitszustand ihres Mandanten beim letzten Besuch am 27. November gut gewesen, allerdings leide er unter Atembeschwerden und ständigen Kopfschmerzen. (...) Die türkische Regierung lege dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in regelmäßigen Abständen ärztliche Atteste vor, in denen keinerlei Gesundheitsprobleme bescheinigt seien. Die von der Regierung bestellten Ärzte würden jedoch keine detaillierten Untersuchungen durchsuchen und die vorgelegten Atteste seien aus diesem Grund nicht befriedigend. Deshalb fordert die Verteidigung Öcalans eine ärztliche Kontrolle durch eine internationale Ärztegruppe.