Frankfurter Rundschau, 30.12.1998
Türkei
Ciller will mit Erez nicht über neue Regierung reden
ANKARA, 29. Dezember (dpa). Im Streit haben sich der parteilose Industrie- und Handelsminister Yalim Erez und die frühere Regierungsschefin Tansu Ciller nach einem Gespräch über eine mögliche Koalition getrennt. Erez sagte nach dem zwölfminütigen Treffen am Dienstag in Ankara, Ciller habe ihn aufgefordert, den Auftrag zur Regierungsbildung unverzüglich an Staatspräsident Süleyman Demirel zurückzugeben.

Ciller habe argumentiert, die Entscheidung Demirels, ihn mit der Regierungsbildung zu betrauen, sei „undemokratisch“, sagte Erez. Demirel habe „gegen das Parlament und den Volkswillen gehandelt“. Er hätte einen Parteivorsitzenden mit der Aufgabe beauftragen müssen.

Der designierte Ministerpräsident Erez sagte, er wolle bis nächste Woche eine Koalition des nationalen Friedens und des Kompromisses bilden. Er war vor dem Bruch der Koalition zwischen der inzwischen wegen Fundamentalismus verbotenen islamistischen Wohlfahrtspartei (RP) und Cillers konservativer Partei des Rechten Weges (DYP) im Juni 1997 aus der DYP ausgeschlossen worden. Zuvor gehörte er zu den engsten Beratern Cillers.



 

TAZ 30.12.1998

Türkei weiter ohne Regierung
Ciller erteilt Erez Absagen
Ankara (AFP) - Die frühere türkische Regierungschefin Tansu Ciller hat dem designierten Ministerpräsidenten Yalim Erez bei einem Sondierungsgespräch eine Abfuhr erteilt. Die Vorsitzende der konservativen Partei des rechten Weges (DYP) habe sich kategorisch gegen den Eintritt in ein Kabinett unter seiner Führung gewandt, sagte Erez gestern. Der 54jährige parteilose Politiker drückte die Hoffnung aus, die Ex-Regierungschefin werde ihre Meinung revidieren. Erez war als Listenkandidat der DYP 1995 ins Parlament gewählt worden, hatte die Partei Cillers aber wegen Unstimmigkeiten mit ihr verlassen.
Erez war am Mittwoch vergangener Woche von Staatspräsident Süleyman Demirel mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Nach Gesprächen mit den Vorsitzenden der islamischen Tugendpartei, der Mutterlandspartei und der Demokratischen Linken (DSP) zeigte er sich zuversichtlich, eine Koalitionsregierung auf die Beine stellen zu können.


bwn, 29. Dezember 1998

Erez will bis nächste Woche neue türkische Regierung vorstellen
(reuters/ess)   Der designierte türkische Ministerpräsident Yalim Erez will in der nächsten Woche die Bildung der neuen Regierung abschliessen. Erez sagte heute Journalisten in Ankara, er werde Präsident Süleyman Demirel voraussichtlich in der kommenden Woche eine Kabinettsliste vorlegen. Für heute waren mehrere Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden kleinerer Parteien im Parlament geplant.
Demirel hatte Erez vor einer Woche mit der Regierungsbildung beauftragt, nachdem der Sozialdemokrat Bülent Ecevit damit gescheitert war.
Erez war am Montag unter anderem mit dem Vorsitzenden der islamistischen Tugendpartei, Recai Kutan, und dem früheren Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz zusammengekommen. Im Anschluss an die Beratungen äusserte sich Erez zufrieden, ohne Einzelheiten zum Inhalt der Unterredungen zu nennen. Erez, der gegenwärtig als Industrie- und Handelsminister amtiert, hatte am Montag erklärt, er wolle eine Regierung auf breiter Basis bilden, an der auch die Tugendpartei teilnehmen könne. Er fügte aber hinzu, dass die anderen Parteien eine Kooperation mit den Islamisten wahrscheinlich ablehnen würden. Die Tugendpartei stellt die grösste Fraktion im Parlament in Ankara.
Das Parlament hatte Yilmaz Ende November wegen einer Korruptionsaffäre gestürzt. Die neue Regierung wird voraussichtlich nur bis zu den im April geplanten vorgezogenen Parlamentswahlen im Amt bleiben.  Präsident Demirel lehnte es am Samstag ab, sofortige Wahlen anzuordnen, falls Erez bis zum 10. Januar keine neue Regierung bilden sollte.